Julia Schoch

Julia Schoch

„Ich würde immer die Intensität wählen.“

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Zur Person

21. Januar 2025, Potsdam. Morgens um elf scheint die Welt noch in Ordnung. Die winterliche Innenstadt gleicht einem verspäteten Adventsidyll, die kleinen Geschäfte erfreuen sich eines regen Betriebs. Noch gemütlicher geht es in der Buchhandlung zu, die Julia Schoch für unser Treffen vorgeschlagen hat. Eine Wendeltreppe führt in den ersten Stock, das Ambiente würde auch Harry Potter gefallen. Die Autorin sitzt am Fenster, nah an der Heizung. Genau wie in ihrem neuen Roman „Wild nach einem wilden Traum“ soll es auch im Gespräch um die zwei großen Themen Liebe und Freiheit gehen.

Julia Schoch, Ihre Schriftstellerkollegin Joyce Carol Oates hat mal gesagt, ihr eigenes Leben sei nicht so interessant wie das Leben, das sie mithilfe ihrer Fantasie ihren Figuren verleiht. Bei Ihnen scheint das eher andersherum zu sein: Sie schreiben gerne über sich – oder eine Version davon.

Ja. Eine Version, dieser Zusatz ist wichtig. Es ist keine dokumentarische oder rekonstruierende Literatur. Ich gehe schon von mir aus, aber das macht vermutlich jeder Schriftsteller. Das, was ich denken und nachempfinden kann, ist für mich genauso viel wert wie die eigene Erfahrung, da mache ich fast keinen Unterschied. Wenn ich jemand Fremdes sehe oder höre, ist meine Vorstellungskraft groß genug, um mich in ihn oder sie hineinzuversetzen. Oder dieses Leben in mich hineinzuziehen. Und natürlich ist alles, was ich schreibe, auch immer eine Erweiterung davon. Es gibt so etwas wie einen normalen, vielleicht sogar banalen Kern, aber der wird im Schreiben erweitert und intensiviert und damit auch mit Sinn aufgeladen.

Beim Lesen Ihrer Trilogie bekommt man öfter den Eindruck, dass es sich um Gedanken handelt, die man durchaus auch selbst hat, aber eben nicht niederschreibt. Sie schon.

Das ist aber ja auch Sinn und Zweck von Literatur, oder? Ich gehe davon aus, dass es Ähnlichkeiten und Analogien unter den Menschen gibt. Sonst hätte man ja gar keine Chance, jemand anderen innerlich zu erreichen. Und sonst würden wir vermutlich auch gar nicht lesen. Ich bin überzeugt, dass wir jeweils viel mehr Ähnlichkeiten als Trennendes haben. Obwohl wir heutzutage pausenlos dazu aufgefordert werden, unsere Individualität besonders herauszustellen und uns als einzigartig zu präsentieren. „Sei du – und nur du!“ „Was hast du zu sagen? Du selbst?“ Das kann natürlich auch zu einer Qual werden, die Frust und Müdigkeit erzeugt.

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