Joshua Oppenheimer
„Die menschliche Fähigkeit, sich selbst zu belügen, ist die Voraussetzung dafür, Böses zu tun.“
Zur Person
Joshua Oppenheimer, geboren 1974 in Austin, Texas studierte Film an der Harvard University und am Central Saint Martins College of Art and Design in London. In mehreren seiner Dokumentarfilme setzt er sich mit den Nachwirkungen der Massaker in Indonesien Mitte der Sechzigerjahre auseinander. „The Act of Killing“ lief auf verschiedenen Filmfestivals, auch auf der Berlinale. Aus Sicherheitsgründen wurde ein überwiegender Teil der Crew-Mitglieder im Abspann nicht genannt. Der im Anschluss entstandene Film „The Look of Silence“ wurde 2014 auf den Filmfestspielen von Venedig mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Oppenheimer ist neben seiner Arbeit als Filmemacher auch wissenschaftlich tätig und in diesem Zusammenhang am „Genocide and Genre“-Projekt des britischen Arts & Humanities Research Council beteiligt.
20.06.2015, Berlin. Joshua Oppenheimer ist ein freundlicher Mann mit geradezu buddhistisch-ruhiger Ausstrahlung. Umso düsterer sind die Themen seiner Filme. Im vielbeachteten „The Act of Killing“ hat er Männer, die 1965 an der Ermordung von rund einer halben Million Menschen in Indonesien beteiligt waren, ihre Taten nachstellen lassen. Im Nachfolgewerk „The Look of Silence“ begleitet der Regisseur seinen Protagonisten Adi, dessen Bruder damals umgebracht wurde, zur Familie des Mörders. In unserem Gespräch, das im sonnigen Garten eines Berliner Hotels stattfindet, geht es tief hinab in die Köpfe von Massenmördern.
Mr. Oppenheimer, was glauben Sie – kann im Prinzip jeder Mensch zum Mörder werden?
Joshua Oppenheimer: Ich würde sagen, dass jeder, der eine Gräueltat verübt, ein menschliches Wesen mit einer ähnlichen privaten Moral ist, wie Sie und ich sie besitzen. Aber das bedeutet nicht notwendigerweise, dass jeder zum Mörder werden könnte. Jeder Stuhl ist ein Möbelstück, aber nicht jedes Möbelstück ist ein Stuhl. Nehmen wir an, ich wäre im Indonesien der Fünfzigerjahre aufgewachsen: Ich hoffe, ich hätte mich 1965 trotzdem nicht an dem millionenfachen Mord an Menschen beteiligt, die zu Kommunisten erklärt und ermordet wurden.
Das werden Sie nie herausfinden müssen.
Zum Glück nicht. Der Schriftsteller und KZ-Überlebende Primo Levi hat im Kontext des Holocausts einmal gesagt: „Es mag Monster unter uns geben. Aber es sind zu wenige, um sich deswegen Sorgen zu machen.“