Joe Jackson
„Das Gefühl des Verlorenseins wird intensiver, je älter ich werde.“
Zur Person
Joe Jackson (geboren am 11.8.1954) wuchs in der südenglischen Küstenstadt Portsmouth auf. Zunächst lernte er Geige, dann Klavier. Mit 16 spielte er in lokalen Pubs, mit der ersten Band hatte er noch wenig Erfolg. Das änderte sich 1978, als sein Album „Look Sharp“ mit seiner Mischung aus Pop und New Wave den Zeitgeist traf. 1982 veröffentlichte er sein bis heute beliebtestes Album „Night & Day“, auf dem auch die Hitsingle „Steppin’ Out“ zu finden ist. Im Laufe seiner Karriere versuchte sich Joe Jackson auch als Klassik- und Jazz-Komponist. Von England zog er zunächst nach New York, besitzt seit vielen Jahren aber auch eine Wohnung in Berlin. Unlängst veröffentlichte er mit „Fool“ sein 20. Studioalbum, passend zum 40. Karrierejahr als Musiker. Zwischen dem 28.03. und dem 03.04.2019 befindet er sich auf Deutschland-Tournee, mit Stationen in Berlin, Hamburg, Stuttgart, München und Köln.
04. Dezember 2018, Berlin. Man weiß von vorangegangenen Begegnungen, dass der Großmeister der britischen Popmusik nicht gerade der einfachste Interviewpartner ist. Passt ihm ein Thema nicht, macht er gern mal dicht, man hörte auch schon von vorzeitig abgebrochenen Gesprächen. Es ist das letzte Interview des Tages, ein wenig müde ist er, zuweilen muss er sich ein herzhaftes Gähnen verkneifen. Doch den Fragen gegenüber ist er aufgeschlossen, letztlich gestattet er sogar ein sattes Überziehen der vereinbarten Interviewzeit. Ein Gespräch über die Freiheit von Kunst in einer zunehmend politisierten Welt, den Unsinn von Nostalgie und den bedeutsamen Unterschied zwischen Ironie und Zynismus.
Mr. Jackson, hier liegt das 20. Album Ihrer 40-jährigen Karriere auf dem Tisch – und es enthält nicht einen Hauch von Nostalgie. Sind Sie kein Typ dafür?
Ich verstehe zwar das Konzept von Nostalgie und verstehe auch, dass sie für manche Menschen interessant sein mag. Aber ich denke, als Künstler sollte man sehr vorsichtig mit der Verwendung von Nostalgie sein, das kann sehr schnell zu einer Freizeit-Droge werden. (lacht)
Weil sich Nostalgie negativ auf die Zeitlosigkeit von Kunst auswirkt?
Nicht nur auf die Kunst, sondern auch auf ihre Erzeuger. Ein Beispiel: Ich bin ein großer Fan der englischen Band Squeeze, und als die nach einer langen Phase der Stille ein neues Album veröffentlichten, war ich zutiefst enttäuscht, denn das ganze Album ist reine Nostalgie. Dabei hätte es mich wahnsinnig interessiert, was heute in den Köpfen dieser Musiker passiert. Stattdessen haben sie sich darauf verlegt, einige gute Momente ihrer Historie in vermeintlich neue Songs zu verpacken, die aber klingen wie die alten. Auf diese Weise wird Kunst schrecklich langweilig, zu einer berechenbaren Größe. Ich weiß noch, wie ich dasaß, ihre Platte hörte und bei jedem Song nur dachte: Oh nein! Tut das nicht! Bitte macht etwas Neues, irgendwas! Aus meiner Sicht gibt es nichts Langweiligeres als die Adaption von bereits Durchgekautem – mag sie noch so authentisch dargeboten werden. Denn sagen Sie mir: Welchen Zweck erfüllt Kunst, die einem nichts, aber auch gar nichts Neues zeigt? Mehr noch, ist das dann überhaupt noch Kunst – oder nicht eher Gebrauchsware? Aus meiner Sicht sollte Kunst stets zwei Dinge beherzigen: Sie sollte etwas über die Persönlichkeit ihres Erzeugers verraten. Und sie sollte zumindest in Spurenelementen neue Nuancen, etwas Unerwartetes beinhalten.