Joachim Kühn
„Menschen sind wie Noten, jeder steht für sich allein.“
Zur Person
Joachim Kühn (geboren am 15. 03.1944 in Leipzig) absolvierte in der noch jungen DDR eine Ausbildung zum klassischen Pianisten, wechselte dann aber zum Jazz. Schon mit 18 Jahren arbeitete er als Profimusiker, kurz darauf floh er mithilfe seines Bruders, des Klarinettisten Rolf Kühn, in den Westen. Die Brüder Kühn gehören noch heute zu den wenigen deutschen Jazz-Musikern, die international Karriere gemacht haben. Joachim Kühn hat neun Solo-Piano-Alben eingespielt, dazu kommen Dutzende Platten in verschiedenen Besetzungen. Bis zu dessen Tod spielte er regelmäßig mit dem berühmten Free-Jazz-Saxofonisten Ornette Coleman. Kühn lebt mit seiner Freundin auf der spanischen Insel Ibiza.
04. Dezember 2018, Berlin. Joachim Kühn strahlt weltgewandte Lässigkeit aus, in blauem Jackett mit passendem Schal, am Hemdkragen eine Piloten-Sonnenbrille, betritt der Jazzpianist das Restaurant. Ein fester Händedruck. Ob es in Ordnung sei, wenn er noch kurz eine rauche, ehe das Gespräch beginnt? Kein Problem, wir haben Zeit. Zwei Stunden lang redet der gebürtige Leipziger, der bald seinen 75. Geburtstag feiert, sein Mineralwasser rührt er dabei kaum an. Kühn erzählt, warum er als Kind einer Artistenfamilie aus der DDR floh, warum es für ihn keine Alternative zum freien und improvisierten Leben gibt und was die vier Ks Katze, Köter, Kinder, Kirche damit zu tun haben.
Herr Kühn, benötigt man Rastlosigkeit, um Jazzmusiker zu sein?
Rastlosigkeit klingt erst mal nervös, das bin ich nicht. Ich habe keinen Stress. Meine Idee ist es, die beste Musik zu spielen, die möglich ist. Bis zum Umfallen. Die Unruhe bestand früher höchstens darin, dass ich immer die neuesten Platten hören wollte.
Von wem kamen die?
Als ich noch in der DDR lebte, hatte ich einen billigen Tape-Rekorder aus Plastik, der nie richtig funktionierte. Auf dem lief ein Song des Miles Davis Quintet. Und auf dem hörte ich auch das erste Solo von John Coltrane, und wusste: Mit dem werde ich mein Leben verbringen. Meine musikalischen Vorbilder habe ich seit meiner Jugend, das sind immer noch dieselben Leute.