Jan Weiler
„Man muss auch mal für andere eine Zumutung sein.“
Zur Person
Jan Weiler, geboren am 28. Oktober 1967 in Düsseldorf, wurde 2003 mit seinem ersten Buch »Maria, ihm schmeckt’s nicht!«, einer Erzählung über die kulturellen Verwicklungen seiner italienisch-deutschen Familie, prompt Bestsellerautor. Zuvor und bis 2005 war er vor allem Journalist und Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Seit 2007 erscheint wöchentlich seine Kolumne „Mein Leben als Mensch“, zunächst im Stern, dann in der Welt am Sonntag. In weiteren Büchern wie „Das Pubertier“ (2014) oder „Die Älteren“ (2020) verarbeitete er das Erwachsenwerden seiner beiden Kinder. Auch die drei Roma-ne um den Kriminalkommissar Martin Kühn wurden sehr erfolgreich. Weiler unternimmt gern ausgedehnte Lesereisen durch Deutschland und lebt in München und im Sommer in Umbrien.
17. September 2024, München. Das Interview findet nicht wie angedacht im Café unten an der Ecke, sondern doch bei Jan Weiler in der Wohnung statt. In seinem Schwabinger Altbauim vierten Stock sei der Kaffee besser. Der in Cord-Sakko und legere Wohlfühlklamotten gekleidete Schriftsteller und Kolumnist macht tatsächlich einen großartigen Kaffee in einer silbern glänzenden Maschine. Die geräumige Küche ist italienisch geprägt, was an Weilers Zweitwohnsitz in Umbrien liegen mag. Der Aschenbecher ist ein Werbeartikel von Cinzano, die Zigarettenmarke ist MS, die Zuckertütchen haben italienische Aufschriften. Im Gespräch ist Weiler zugewandt, verbreitet keinen Zeitdruck, obwohl am nächsten Tag sein neuer Roman „Munk“ vorgestellt wird und er noch einen Apfelkuchen backen muss: Seine Tochter will am Abend hier Geburtstag feiern – weil sie die Küche so toll findet.
Jan Weiler, Ihr neuer Roman heißt »Munk« – so wie auch sein Protagonist. Er basiert auf einer Fortsetzungsgeschichte mit 52 Folgen, die ein Jahr lang sonntags in der NZZ erschienen sind. Die Geschichte trug den Titel »Die Summe aller Frauen«. Warum heißt der daraus entstandene Roman anders?
Ich wollte den Titel behalten, finde ihn plakativ. Aber dann saß ich beim Verlag einigen Frauen gegenüber, die ihre Arme verschränkten, auf ihre Kaffeetassen guckten und schließlich sagten, sie empfänden den Titel als frauenfeindlich. Weil die Frauen als Objekt behandelt und entindividualisiert würden. Schließlich seien sie nur Teil einer amorphen Summe. Auf den Gedanken wäre ich niemals gekommen, aber ich habe mich daraufhin freiwillig von dem Titel verabschiedet. Es ist interessant, wie sehr man inzwischen aufpassen muss. Aber das ist ja vielleicht auch ganz gut so.
Was geht bei diesem Aufpassen verloren?
Die Frivolität, das Augenzwinkern – und ein wenig auch der Charme. Nicht alles, was auf den ersten Blick böse oder frauenfeindlich wirkt, ist es dann auch. Es kommt immer auf den Kontext an. Wir leben aber in einer kontextbefreiten Zeit. Zu vieles wird eins zu eins genommen. Beim »Markisenmann«, meinem vorletzten Roman, gibt es eine Passage, in der die Tochter dem Vater in einer Pommesbude im Ruhrgebiet vorliest, was für Bratwürste es gibt: »Currywurst, Jägerwurst, Bratwurst, Metaxa-Wurst, Zigeunerwurst ...« Nach einer Lesung sagte ein junger Mann vorwurfsvoll zu mir, ich hätte hier das Z-Wort verwendet. Ich antwortete: »Ja klar, denn das Buch spielt 2005 – und da hat man das Wort noch gesagt.« Wenn ich also »ungarische Wurst« oder »Paprikawurst« geschrieben hätte, wäre es im zeitgeschichtlichen Kontext falsch. Deswegen müsse er sich damit abfinden, dass dieses Wort dort steht. Leider tat er das jedoch überhaupt nicht. Er meinte, das Z-Wort und auch das N-Wort dürfe man unter keinen Umständen jemals verwenden.