Ilija Trojanow
„Heimat ist alles andere als ein Wohlfühlpaket.“
Zur Person
Ilija Trojanow (geboren am 23. August 1965 in Sofia/Bulgarien) kam 1971 nach Deutschland. Kurze Zeit später zog die Familie nach Kenia weiter, dort verbrachte der Schriftsteller seine Jugendjahre in einem Internat in Nairobi, unterbrochen von einem zweiten Deutschlandaufenthalt von 1977 bis 1981. Gemäß dieser frühen Prägung ist Ilija Trojanow Reisender geblieben. Er verbrachte jeweils mehrere Jahre in Mumbai (Indien) und Kapstadt (Südafrika). Der vielfach prämierte Autor hat mehrere Reiseromane („Der Weltensammler“) geschrieben und sich mit politischen Beiträgen (unter anderem mit der Schriftstellerkollegin Juli Zeh: „Angriff auf die Freiheit“) positioniert, zudem eine Reihe von Büchern und Essays zu Flucht und Migrationserfahrungen („Nach der Flucht“) publiziert. Literarisch hat er dem Sport mit seinem Werk „Meine Olympiade“ gehuldigt. Darin beschreibt er seinen vier Jahre dauernden Selbstversuch, bei dem er alle 80 olympischen Disziplinen ausprobierte. Ilija Trojanow ist verheiratet und lebt in Wien, wenn er nicht gerade woanders in der Welt unterwegs ist.
15.07.2019, Frankfurt Süd, wo sonst als in der Nähe eines Bahnhofs sollte man Ilija Trojanow treffen? Der deutsch-bulgarische Schriftsteller ist fortwährend auf Reisen; gerade ist er auf dem Weg vom Tennisturnier in Wimbledon zu seinem Buchverlag im Frankfurter Süden, um das nächste Projekt zu besprechen. Ilija Trojanow gehört zu jenen Menschen, die sich nicht nur wegen der zurückgelegten Reisekilometer Kosmopolit nennen dürfen, sondern vor allem aufgrund ihrer Offenheit und des vorurteilsfreien Interesses dem Neuen gegenüber. Seine Überzeugungen und Reflexionen vermittelt er ohne Dogmen und missionarischen Eifer. Ein Gespräch übers Ankommen, das Hiersein und die Fremde, über die Poesie des Sports und darüber, wie er helfen kann, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen.
Herr Trojanow, in Ihrem Buch ‚Nach der Flucht’ haben Sie geschrieben: „Es gibt ein Leben nach der Flucht. Doch die Flucht wirkt fort, ein Leben lang.“ Wie wirkt sie bei Ihnen nach?
Ich behaupte, dass es eine Entwicklung gibt, vom Flüchtling zum Geflüchteten. Jedoch nicht von einem Geflüchteten zu jemandem, der die Flucht aus seiner Biografie ausradieren kann. Die Fluchterfahrung ist das prägendste Ereignis des Lebens. Nicht allein wegen des Dramas der Flucht, sondern wegen der Art und Weise, wie man sich selbst wahrnimmt. Und wahrgenommen wird.
Wie meinen Sie das?
Einerseits kommt man an, Neues kommt hinzu, andererseits verblasst die Herkunft zunehmend, das Alte verschwindet. Ankunft ist nie singulär und abgeschlossen, sondern immer komplex und vielfältig, ständig muss man sich neu orientieren, zurechtfinden, positionieren. Immer wieder müssen Entscheidungen gefällt werden, die Einheimische nicht treffen müssen. Dieses Leben mit vielen Herausforderungen ist einerseits ein Zugewinn, beinhaltet aber auch oft große Zumutungen.