
Herfried Münkler
„Macht ist eine Form des Selbstgenusses.“
Zur Person
Herfried Münkler (geboren am 15. August 1951 in Friedberg, Hessen) landete bereits mit seiner Dissertation über den Machtstrategen Niccolò Machiavelli einen Achtungserfolg im akademischen Betrieb. Trotz verschiedener – laut eigenen Angaben lukrativerer – Angebote entschied er sich, bis 2018 als Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität zu lehren. Seine politischen Analysen sind seit jeher von nüchterner Interessenanalyse statt moralischen Urteilen geprägt, was ihn zu einer respektierten, aber streitbaren Figur macht. Münkler schrieb mehrere Bestseller über Geopolitik und Kriegstheorie, darunter „Imperien“, „Der Große Krieg“ oder „Welt in Aufruhr“, und hat Spitzenpolitiker in außenpolitischen Fragen beraten. Er ist mit der Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler verheiratet, mit der er zwei erwachsene Kinder hat. Münkler ist nach wie vor, wie er sagt, „ein melancholisches“ SPD-Mitglied.
13. März 2025, Berlin. Er blicke morgens mit „größerer Anspannung als sonst“ in die Nachrichten – viel mehr Emotionen bekommt man aus Herfried Münkler trotz aller Turbulenzen des Weltgeschehens nicht heraus. Der renommierte Politikwissenschaftler sieht beim Blick auf das geopolitische Schachbrett weniger einen Konflikt zwischen Gut und Böse, sondern seziert mit kühler Präzision die Machtblöcke und deren Interessen. Seine Expertise ist seit Jahrzehnten sowohl in Medien als auch in beratender Funktion bei führenden Politikern gefragt. Ein Versuch, Ordnung in das globale Chaos zu bringen.
Herfried Münkler, wie oft haben Sie sich nach Abgabe eines Manuskripts schon geärgert, dass historische Weltereignisse geschehen sind, bevor Ihr Buch in den Regalen stand?
Ach, eigentlich gar nicht. Als ich „Macht im Umbruch“ schrieb, ahnte ich bereits, dass die Weltpolitik wieder in den Galopp übergehen würde, sofern Trump US-Präsident würde. Zur Zeit der Abgabe war das freilich noch nicht klar. Dafür dass ich statt der Tagespolitik die Langzeitperspektive beschreibe, habe ich mit meiner Analyse aber ganz gut gelegen. Das Kapitel über das Zerbrechen des Westens hätte ich womöglich etwas schärfer ausgearbeitet, aber grundsätzlich habe ich nicht den Eindruck, dass irgendetwas ganz anders gelaufen ist, als ich es zuvor erwogen habe.
Hätten Sie also das Zerbrechen der transatlantischen Bindung auch unter einer US-Präsidentin Kamala Harris erwartet?
Mir war immer klar, dass der transatlantische Westen in der bestehenden Form keine Zukunft hat. Die USA sehen ihre Herausforderung im 21. Jahrhundert schon seit der Präsidentschaft von Barack Obama im Indopazifik. Mit Kamala Harris im Weißen Hause wäre das Auseinanderdriften von USA und Europa ein transitorischer Prozess mit einzelnen Stationen gewesen. Mit Trump geschieht das nun disruptiv. Die Europäer haben trotz aller Ansagen aus den USA aus Sorglosigkeit und einer Art Bräsigkeit darauf gebaut, dass alles so bleibt wie zuvor.