Hanno Renner

Hanno Renner

„Jetzt bist du selber mittendrin.“

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  • Philipp Spalek, DGzRS/Sven Junge
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Zur Person

01.04.2016, CuxhavenMöwen kreischen an einem unwirklich blauen Himmel, Spaziergänger schlendern über den grünen Deich. Frühling am Cuxhavener Fährhafen. Hier ist die „Hermann Helms“ stationiert, eine von rund 60 Rettungseinheiten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Seit mehr als 150 Jahren ziehen die Seenotretter Menschen aus den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Und nicht nur dort, wie Vormann Hanno Renner verrät: Als einer von zwölf Freiwilligen war er erst kürzlich im östlichen Mittelmeer im Einsatz, um griechische Seenotretter auszubilden und dabei zu unterstützen, Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Eine kurze Führung über das Schiff, darauf Klönschnack in der zweckdienlich eingerichteten Messe. „Auf dem Esstisch werden notfalls Schwerverletzte behandelt“, sagt Renner. Es riecht nach Früchtetee, im Hintergrund rauscht das Kauderwelsch der Funksprüche durch.

Herr Renner, an Land ist es ein Smalltalk-Thema, auf See überlebenswichtig: Was sagt der Wetterbericht heute?

Da muss ich gucken. (springt auf, holt das handschriftlich geführte Bordtagebuch hervor, liest – in typischer Seewetterberichtsmanier, mit gedehntem O-Laut – vor): „Südooostteil der Deutschen Bucht, anfangs Nordooost drei bis vier, schwach umlaufend. Später Süd zunehmend vier bis fünf. See zunehmend ein bis anderthalb Meter.“ Aber witzig, dass Sie fragen. Inzwischen hat jeder seine Wetter-App auf dem Handy, aber als ich vor 15 Jahren angefangen habe, kam öfter mal ein Segler angestiefelt: „Sie müssen das Wetter doch wissen!“ Dabei hören wir denselben Bericht wie jeder Segler und schreiben mit. Wenn man ein kleines Schiff hat, ist das wichtig zur Reisevorbereitung, damit man nicht von einem Sturm überrascht wird. Wobei uns im Vergleich zu anderen das Wetter am wenigsten tangiert – wir müssen schließlich auch raus, wenn Sturm herrscht!

Für Ihren letzten großen Einsatz mussten Sie nicht raus – Sie haben sich freiwillig gemeldet. Als einer von zwölf deutschen Seenotrettern nahmen Sie im März an einem zweiwöchigen Einsatz vor der griechischen Insel Lesbos teil und unterstützen griechische Kollegen dabei, Flüchtlinge aus der Ägäis zu retten.

Anfang des Jahres sah ich ein Video, das schwedische Seenotretter vor der griechischen Insel Samos gedreht hatten. Wie sie Flüchtlinge auflasen, schwangere Frauen, Kinder, Säuglinge. Wie aber auch Schiffe nur wenige Meter vor dem rettenden Ufer sanken und Menschen ertrunken sind. Wie Kinder reanimiert werden mussten, zum Teil erfolglos. Das war hoch emotional, ich habe fast geheult. Da war mir klar: Ich muss dort helfen! Sonst hätte ich mich mein Leben lang gefragt, warum ich – als professioneller Seenotretter – diesen Menschen nicht geholfen habe.

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