Götz Werner
„Wenn der Artikel 1 der Verfassung gelebt würde, gäbe es kein Hartz-IV.“
Zur Person
Götz W. Werner, geboren am 5. Februar 1944 in Heidelberg, ist Gründer und seit 2008 Aufsichtsratsmitglied der Drogeriekette dm. Als Vordenker eines bedingungslosen Grundeinkommens plädiert er für eine Neudefinition des Einkommensbegriffs: Einkommen soll nicht die Bezahlung der Arbeit, sondern die Ermöglichung der Arbeit sein. Für sein Lebenswerk und sein soziales Engagement wurde Götz W. Werner vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2014 mit dem Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Lebenswerk. Der Autor mehrerer Bücher ist verheiratet und Vater von sieben Kindern.
01.10.2014, Karlsruhe. Unternehmer, Menschenfreund und Philosoph - wenn Götz W. Werner spricht, ist der Saal voll. Seit 2005 setzt sich der Gründer und frühere Geschäftsführer der Drogeriekette dm öffentlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Die Idee: Einkommen ist nicht die Folge von Leistung, sondern die Voraussetzung dafür. Der Mensch und seine sinnerfüllte Entwicklung soll im Mittelpunkt stehen, nicht das Geld. Wenn Götz W. Werner von einem Unternehmer spricht, dann von jemandem, der seine eigene Zukunft „unternimmt“ und dabei den Blick auf die Gemeinschaft, auf die gesellschaftliche Verantwortung nicht verliert.
Herr Werner, Sie betonen immer wieder, dass der Mensch ein „ergebnisoffenes Entwicklungswesen“ ist und kein „Reiz-Reaktionswesen“. Was heißt das für den einzelnen Menschen in seinem Lebensumfeld, bei der Arbeit, in der Familie?
Götz Werner: Für den Einzelnen heißt das: Es kommt auf ihn an! Der Mensch ist nicht determiniert, er trägt die Verantwortung für seine Handlungen und deren Folgen. Jeder Mensch steht vor der Aufgabe, seine eigene Biografie zu gestalten und diese Verantwortung kann ihm niemand abnehmen. „Von der Macht, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet“, schrieb Goethe. In dem Moment, in dem Sie sich von den Verhältnissen, die Sie binden wollen, sprichwörtlich abstoßen, sich überwinden und aus der Bindung heraustreten, entsteht ein Freiraum, den Sie gestalten können. Wem das gelingt, der wird nicht mehr wie ein Reiz-Reaktionswesen, was genau genommen ein Tier ist, von den Umständen bestimmt, sondern ein Mensch, der die Situation aufgreift und verwandelt. Für unsere Gemeinschaft folgt daraus: Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Einzelne sich entwickeln kann. Jedem ein gelingendes Leben ermöglichen. Das ist die primäre und finale Kulturaufgabe unserer Gesellschaft.
Früher oder später stellt sich jeder Mensch die Frage nach dem „Sinn des Lebens“. Gibt es auf diese Frage eine Antwort, die gleichermaßen für alle Menschen gültig ist? Oder anders gefragt: Gibt es einen Lebensauftrag, der im Grundsatz für alle Menschen gleich ist?
Nicht der Mensch stellt diese Frage, sondern das Leben stellt diese Frage fortdauernd an jeden Einzelnen. Das Leben, die Umstände, unsere Mitmenschen stellen uns ständig Fragen, auf die wir mittels unserer Handlungen, unserer Worte oder unseres Verhaltens zu antworten haben. Die Aufgaben, die Sie aufgreifen oder auf die Sie verzichten – das ist Ihre Antwort. Die Frage ist nur, ob Sie sich das bewusst machen oder nicht. Viktor Frankl hat es auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt, dass wir bei der Frage nach dem Sinn des Lebens eine Kopernikanische Wende bräuchten dahingehend, dass wir uns selbst als die vom Leben Befragten begreifen sollten.