George Church
„Der Mensch neigt dazu, sich an erste Stelle zu setzen.“
Zur Person
George McDonald Church (geboren am 28. August 1954 in Florida, USA) studierte Zoologie und Chemie an der Duke University. Beim ersten Versuch einer Doktorarbeit flog er wegen zu schlechter Leistungen von der Uni. 1984 erwarb er den Titel in Biochemie und Molekularbiologie schließlich doch – an der Eliteuniversität in Harvard. Church entwickelte mehrere Techniken zur DNA-Sequenzierung, war an der Entwicklung der CRISPRGen-Schere beteiligt, hält Dutzende Patente, gründete 2006 das Personal Genome Project und inzwischen mehr als 20 Firmen. 2015 gelang es ihm und seinem Team des Church Lab, Gene des längst ausgestorbenen Wollhaarmammuts in das Genom eines Asiatischen Elefanten zu kopieren.
12. November 2020, Harvard. Nur wenige Forscher genießen bereits zu Lebzeiten Legendenstatus. George Church ist eine dieser Ausnahmen. Seit Jahrzehnten verschiebt der amerikanische Molekularbiologe kontinuierlich die Grenzen der Wissenschaft, gilt als einer der Pioniere des Gene Editing und der synthetischen Biologie. Der 66-Jährige kreiert in seinem Church Lab quasi neue Lebewesen. Nicht aus Spaß oder Größenwahn, sondern um den Klimawandel zu bekämpfen und die Artenvielfalt zu erhalten. Seine bahnbrechenden Ansätze machen George Church zu einem der umstrittensten Wissenschaftler unserer Zeit. Die Vorwürfe lauten, er halte sich für Gott, für schöpferisch, für übergeordnet. Kein ferner Gedanke mit Blick auf skurrile Ideen wie genetisch veränderte Elefanten, die in der Tundra den Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes platttreten könnten. Im Interview klingen seine Pläne jedoch alles andere als hanebüchen.
George Church, was verbirgt sich hinter dem Begriff der synthetischen Biologie?
Es handelt sich um einen Überbegriff, der zahlreiche Methoden aus dem Bereich Bio- und Chemie-Engineering zusammenfasst, angefangen bei der Chemie vom Ursprung des Lebens bis hin zu Schaltkreisen von Zellen, die der Elektronik nachempfunden sind. Verschiedene molekulare Technologien und Therapien zählen dazu: Gentherapien oder die Entwicklung von Tieren für landwirtschaftliche oder medizinische Zwecke, etwa wenn wir in Tieren Organe züchten, die letztlich in den Menschen transplantiert werden sollen. Inwieweit sehen Sie in der synthetischen Biologie eine Methode zur Erhaltung der biologischen Vielfalt? Dies ist eine der jüngsten und meiner Meinung nach aufregenderen Anwendungen. Weil es hier das Potenzial gibt, Arten, die vom Aussterben bedroht sind, möglicherweise zu retten. Es ließen sich zum Beispiel bestimmte Merkmale in Tieren erzeugen, die in einer Unterart oder einer entfernten Art vorhanden sind. Etwa eine höhere Toleranz für Trockenheit, für wärmeres Klima oder bestimmte Nahrungsquellen. Die synthetische Biologie bietet damit eine großartige Möglichkeit, die natürliche Biologie zu retten.
Eines Ihrer bekanntesten Projekte dreht sich um das Wollhaarmammut. Auf den ersten Blick könnte man meinen, Sie versuchen, eine bereits ausgestorbene Art zurückzuholen. Stichwort: De-Extinction.
Dieser falsche Eindruck entsteht schnell. Das Mammut zurückzubringen, könnte tatsächlich irgendwann Realität werden. Aber was wäre die logische Reihenfolge dabei? Stellen Sie sich vor, unser Ziel wäre eine Reise zum Jupiter. Da müssen wir aber doch zunächst mal zum Mond, oder? Unser erster kleiner Schritt wäre also, Elefanten zu erzeugen, denen Kälte nichts ausmacht. Allerdings wollen wir dabei nicht nur ein paar Gene auslöschen und diese durch welche mit hoher Kälteresistenz ersetzen. Das ist uns nämlich bereits gelungen.