George Church

George Church

„Der Mensch neigt dazu, sich an erste Stelle zu setzen.“

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12. November 2020, Harvard. Nur wenige Forscher genießen bereits zu Lebzeiten Legendenstatus. George Church ist eine dieser Ausnahmen. Seit Jahrzehnten verschiebt der amerikanische Molekularbiologe kontinuierlich die Grenzen der Wissenschaft, gilt als einer der Pioniere des Gene Editing und der synthetischen Biologie. Der 66-Jährige kreiert in seinem Church Lab quasi neue Lebewesen. Nicht aus Spaß oder Größenwahn, sondern um den Klimawandel zu bekämpfen und die Artenvielfalt zu erhalten. Seine bahnbrechenden Ansätze machen George Church zu einem der umstrittensten Wissenschaftler unserer Zeit. Die Vorwürfe lauten, er halte sich für Gott, für schöpferisch, für übergeordnet. Kein ferner Gedanke mit Blick auf skurrile Ideen wie genetisch veränderte Elefanten, die in der Tundra den Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes platttreten könnten. Im Interview klingen seine Pläne jedoch alles andere als hanebüchen.

George Church, was verbirgt sich hinter dem Begriff der synthetischen Biologie?

Es handelt sich um einen Überbegriff, der zahlreiche Methoden aus dem Bereich Bio- und Chemie-Engineering zusammenfasst, angefangen bei der Chemie vom Ursprung des Lebens bis hin zu Schaltkreisen von Zellen, die der Elektronik nachempfunden sind. Verschiedene molekulare Technologien und Therapien zählen dazu: Gentherapien oder die Entwicklung von Tieren für landwirtschaftliche oder medizinische Zwecke, etwa wenn wir in Tieren Organe züchten, die letztlich in den Menschen transplantiert werden sollen. Inwieweit sehen Sie in der synthetischen Biologie eine Methode zur Erhaltung der biologischen Vielfalt? Dies ist eine der jüngsten und meiner Meinung nach aufregenderen Anwendungen. Weil es hier das Potenzial gibt, Arten, die vom Aussterben bedroht sind, möglicherweise zu retten. Es ließen sich zum Beispiel bestimmte Merkmale in Tieren erzeugen, die in einer Unterart oder einer entfernten Art vorhanden sind. Etwa eine höhere Toleranz für Trockenheit, für wärmeres Klima oder bestimmte Nahrungsquellen. Die synthetische Biologie bietet damit eine großartige Möglichkeit, die natürliche Biologie zu retten.

Eines Ihrer bekanntesten Projekte dreht sich um das Wollhaarmammut. Auf den ersten Blick könnte man meinen, Sie versuchen, eine bereits ausgestorbene Art zurückzuholen. Stichwort: De-Extinction.

Dieser falsche Eindruck entsteht schnell. Das Mammut zurückzubringen, könnte tatsächlich irgendwann Realität werden. Aber was wäre die logische Reihenfolge dabei? Stellen Sie sich vor, unser Ziel wäre eine Reise zum Jupiter. Da müssen wir aber doch zunächst mal zum Mond, oder? Unser erster kleiner Schritt wäre also, Elefanten zu erzeugen, denen Kälte nichts ausmacht. Allerdings wollen wir dabei nicht nur ein paar Gene auslöschen und diese durch welche mit hoher Kälteresistenz ersetzen. Das ist uns nämlich bereits gelungen.

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