Fritz Schaap

Fritz Schaap

„Die neutrale Rolle ist mein letzter Anker.“

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  • Maria Sturm
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Zur Person

28. November 2017, Berlin. Fritz Schaap ist seit acht Tagen aus dem Irak zurück, wo er für eine exklusive Geschichte für ein Hamburger Nachrichtenmagazin recherchiert hat. Sein Verlag hat gemeinsam mit seiner Agentur in einen Hinterhof in der Nähe des Hackeschen Marktes geladen, um bei Falafel, Bulgur und Tabouleh sein Buch mit Geschichten aus dem arabischen Raum vorzustellen. Im Anschluss an den offiziellen Teil sprach der ehemalige Barkeeper und Nachtwächter im Interview über seine Erfahrungen als Reporter in Kriegsgebieten. Der 36-Jährige redet offen und klar über Entführungsängste und journalistische Neutralität, über 24 Stunden in einem Knast in Kairo und ein höchst seltsames Hotel an der türkisch-syrischen Grenze.

Herr Schaap, Sie schreiben über das Schicksal der Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika, über die Zustände in philippinischen Callcentern oder die organisierte Kriminalität entlang der afrikanischen Flüchtlingsrouten. Sie sehen dabei viel Elend – und können die Dinge doch nicht ändern. Fragen Sie sich manchmal nach dem Sinn Ihres Tuns?

Der Sinn meiner Arbeit liegt für mich darin, so weit wie möglich Chronist zu sein. Also zu dokumentieren, was an den Orten, an denen ich bin und recherchiere, vor sich geht. Es wäre vermessen zu erwarten, dass ich mit dem, was ich schreibe, wirklich etwas ändern kann – und dennoch muss es aufgeschrieben werden. Irgendjemand muss festhalten, was dort passiert ist. Gerade in Syrien ist es wichtig, dass möglichst viel Material von möglichst vielen Leuten gesammelt wird, falls es zum Beispiel einmal zu Anklagen vor einem internationalen Strafgericht kommen sollte. Da braucht es dann auch die Texte, die Menschen wie ich aufgeschrieben haben.

Sie wurden gerade mit dem 2. Preis beim Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus für eine Artikelserie aus Syrien ausgezeichnet. Sind Sie stolz oder denken Sie in diesen Momenten an die Menschen, die im Elend hocken, während Sie bei Schampus und Häppchen Smalltalk halten müssen?

Tatsächlich bin ich erst am Tag vor der Preisverleihung aus einem Kriegsgebiet, das ich hier leider aus Visagründen nicht nennen kann, wiedergekommen. Ganz ehrlich, ich war in erster Linie müde. Aber grundsätzlich habe ich den Vorteil, dass es mir gelingt, die Dinge, die ich vor Ort sehe und erlebe, einigermaßen von mir fernzuhalten. Ich kann auch ganz gut umschalten. Ich besitze einen gesunden professionellen Schutzwall, der dafür sorgt, dass ich nachts nicht von toten Menschen in den Straßen träume. Solche Szenen sehe ich als Reporter und schreibe sie auf, aber die Eindrücke kommen nicht so nah an mich heran, dass sie mich später heimsuchen.

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