
Frank Günther
„Shakespeare ist der erfolgreichste britische Exportartikel nach der Queen.“
Zur Person
Frank Günther wurde 1947 in Freiburg geboren. Er studierte Anglistik, Germanistik und Theatergeschichte. Schon während seiner Tätigkeit als Regisseur sowie Regieassistent an Bühnen in Bochum, Bielefeld, Wiesbaden und Basel arbeitete er als Übersetzer. 1974 begann er, sich Shakespeare zu widmen, dessen Werk er bis 2016 als einziger in Alleinregie vollständig übersetzt haben wird. Seine Übersetzungen sind die maßgebliche Textgrundlage für sehr viele Inszenierungen der Gegenwart. Günther erhielt u.a. den Christoph-Martin-Wieland-Preis, den Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Preis sowie den Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er lebt mit seiner Frau in Rot an der Rot in der Nähe von Biberach.
29.09.2015, Rot an der Rot. Frank Günther sitzt in seinem Arbeitszimmer und trägt einen Kaftan. Sein Haus auf dem Land hat er in jahrelanger Kleinarbeit vom rudimentären ehemaligen Hof zur Heimat ausgebaut. Sorgsam übertrug er Balken, Kacheln oder Kamine aus anderen Anwesen in die Gesamtkomposition seiner vier Wände. Ähnlich gewissenhaft überträgt er seit rund vierzig Jahren das Gesamtwerk William Shakespeares ins Deutsche. Die Vollendung dieser weltweit einzigartigen lückenlosen Übersetzung aus der Hand einer Einzelperson ist für 2016 geplant. Die Widerstände, die sich ihm in den Texten entgegenstellen, sind enorm, Geistesgrößen wie Wieland oder Schlegel sind daran gescheitert. Dennoch hadert Günther nie mit Dichtung und Wahrheit der Vergangenheit, sondern eher mit so mancher Gepflogenheit der Gegenwart.
Herr Günther, wieso widmen Sie Ihr ganzes Leben einem einzigen Autor?
Frank Günther: Das habe ich nicht freiwillig begonnen. Ich wäre nie von selber auf die anmaßende, arrogante und eitle Idee gekommen, den gesamten Shakespeare neu zu übersetzen.
Wer hat Sie denn gezwungen?
Ein ehemaliger Theaterverlag in Köln, Nyssen & Bansemer, für den ich einmal nur aus Spaß an der Freude zwei Zeitgenossen von Shakespeare übersetzt habe, die noch niemand ins Deutsche übertragen hatte. Die Stücke wurden nie gespielt und sind auch nicht besonders toll, aber die Verleger meinten, das sei so gut geworden, ich müsse jetzt Shakespeare übersetzen. Ich dachte: Wieso sollte ich das tun? Wieso beweisen, dass ich’s auch nicht kann, nachdem schon so viele Dichter bewiesen hatten, dass sie’s ebenfalls nicht können? Letztendlich habe ich zwei Wochen lang die Vorhänge zugezogen, das Telefon ausgeschaltet, den Kühlschrank vollgepackt und mich an „Viel Lärm um nichts“ versucht. Ich habe mich dermaßen vor diesem Text gefürchtet, dass mir klar wurde: Wenn ich nicht wie ein Schnellzug da durchpflüge, sondern schon bei der dritten Zeile Skrupel kriege, wie diese Inversion der Satzteile zu verstehen ist, würde ich niemals über die erste Seite hinauskommen.