
Ferdinand von Schirach
„Alle wird man nie erreichen können, die Vernünftigen schon.“
Zur Person
Am häufigsten wird Ferdinand von Schirach gefragt: Gibt es das perfekte Verbrechen? Er antwortet meist scherzhaft: „Ja, aber die Beratung kostet“. Fachmann für schwere Fälle ist der 1964 in München geborene Strafverteidiger und Schriftsteller mit Millionenauflage jedenfalls. Als Promi-Anwalt hat von Schirach unter anderem den SED-Funktionär Günter Schabowski und die Familie von Klaus Kinski vertreten. 2009 erschien seine erste Kurzgeschichten-Sammlung „Verbrechen“, auf Anhieb ein Bestseller. Genau wie der Folgeband „Schuld“ (2010). Von Schirach verdichtet darin Fälle aus seiner Kanzlei. Keine Krimis, sondern packende Erzählungen über strauchelnde Menschen. Aus den Büchern, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden, sind bereits eine Fernsehserie und Doris Dörries Kinofilm „Glück“ entstanden. Von Schirachs erster Roman „Der Fall Collini“ (2011) verhandelt den Umgang mit NS-Tätern im Nachkriegsdeutschland. Der Autor ist der Enkel des „Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach. Über den Großvater hat er sich nur einmal ausführlich in einem Essay geäußert: „Ich konnte ihn nichts fragen, und ich verstehe ihn nicht“. Sein zweiter Roman „Tabu“ erzählt von Sebastian von Eschburg, der als Kind durch den Selbstmord des Vaters erschüttert wird. Es geht um die typischen Von-Schirach-Fragen: Was ist Täuschung, was ist Schuld? Aber persönlicher denn je erzählt.
29.09.2013, Berlin. Ein italienisches Café in Charlottenburg, Treffpunkt vieler Künstler. Hier gibt Ferdinand von Schirach alle seine Interviews. Der Schriftsteller und Strafverteidiger sitzt schon bei Kaffee und Zitronenwasser am Tisch. Draußen, wo geraucht werden darf. Gutgelaunt begrüßt er den Gast: „Willkommen in meinem Büro“. Von Schirach wirkt aufgeräumt und gespannt.
Herr von Schirach, sagen Sie in Interviews eigentlich die Wahrheit?
Ferdinand von Schirach: Natürlich.
Wo würde die Lüge beginnen?
Die Lüge beginnt immer dort, wo man sich als jemand darstellt, der man nicht ist. Das mache ich schon deshalb nicht, weil es sich langfristig nicht durchhalten ließe. Es wäre doch auch albern, vielleicht bin ich dafür auch zu langweilig und bürgerlich. Warum sollte man das überhaupt tun als Schriftsteller? Das ist das Problem mit Lügen: Man muss schon sehr intelligent sein, um sie dauerhaft aufrecht zu erhalten. Mir wäre es zu viel Aufwand.