Eva Müller

Eva Müller

„Gäbe es mehr Aufklärung, würden weniger Menschen katholisch heiraten.“

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  • Maurice Kohl
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15.11.2016, Köln. Wie ein Bergmassiv beherrscht der Dom das Stadtbild, seine Türme verschwinden im Nebel tiefhängender Wolken. Wenige hundert Meter entfernt befindet sich in einem unauffälligen Gebäude das Erzbischöfliche Offizialat, das größte Kirchengericht Deutschlands. Ebenfalls um die Ecke: Das WDR-Filmhaus, Arbeitsplatz der vielfach ausgezeichneten TVJournalistin Eva Müller. Für ihre Reportage „Richter Gottes“ hat sie sich mit der Welt der katholischen Kirchenprozesse beschäftigt, einer verborgenen Paralleljustiz. Im Interview berichtet Eva Müller von Richtern, Priestern und Gutachtern, die ihr Schweigen gebrochen haben – und Menschen, über deren Existenz das Urteil eines Kirchengerichts entscheiden kann.

Frau Müller, Sie beschäftigen sich intensiv mit den geheimen Prozessen der katholischen Kirche und den weitreichenden Konsequenzen für deren Angestellte in Deutschland. Wie kamen Sie zu diesem Thema?

In meinem ersten Buch „Gott hat hohe Nebenkosten“ ging es unter anderem um eine Kindergärtnerin aus Königswinter, die wegen einer neuen Beziehung nach ihrer ersten Ehe den Job verloren hatte. Um der Kündigung zu entgehen, hatte man ihr noch ein weiteres Angebot gemacht, nämlich vor ein Kirchengericht zu ziehen und da „die Situation zu klären“. Der Zusammenhang ist der: Wenn man nach einer Scheidung nochmals heiratet oder mit einem neuen Partner zusammenlebt, riskiert man als Angestellter der katholischen Kirche seinen Job – es sei denn, man lässt seine erste Ehe vor einem Kirchengericht in einem aufwendigen Prozess für ungültig erklären und heiratet den zweiten Partner dann gültig katholisch. Als ich später eine Frau traf, die mir sagte, dass sie Vernehmungsrichterin an so einem Kirchengericht ist, habe ich mich gefragt, was dort geschieht.

Nähern wir uns mal mit einem Fallbeispiel: Angenommen ein Journalist möchte für die katholische Kirche arbeiten, hat sich vorher aber mit sensiblen Themen wie Homo-Ehe oder Abtreibung kritisch auseinandergesetzt…

Dann hätte einer seiner Konkurrenten sicher bessere Chancen auf den Job. (lacht) Dass ein Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer eine gewisse Loyalität erwartet, finde ich aber durchaus verständlich, das ist in anderen Bereichen ja auch so. Wenn ein Arbeitgeber aber bestimmen will, wie seine Angestellten ihr Privatleben gestalten, mit wem sie zusammenleben, wen sie lieben dürfen und wen nicht, dann darf uns das nicht egal sein. Und genau das betrifft in Deutschland Hunderttausende, die in Krankenhäusern, Schulen oder Kindergärten für die katholische Kirche arbeiten.

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