Elizabeth Strout
„Die Zeit des Puritanismus läuft ab.“
Zur Person
Elizabeth Strout, geboren am 6. Januar 1956 in Portland, Maine, studiert zunächst Jura an der New Yorker Syracuse University und widmet sich erst nach ihrem Abschluss 1982 dem Schreiben. Gleich ihr erster Roman „Amy & Isabelle“ wird 1998 zu einem literarischen Erfolg, 2007 folgt mit „Olive Kitteridge“ (deutsch als „Mit Blick aufs Meer“) das Buch, für das sie den Pulitzerpreis erhält. Strenge und spröde Frauenfiguren, denen sie sich auf möglichst verständnisvolle Weise nähert, finden sich in ihrem gesamten Werk, so auch in der gefeierten Romantrilogie um die Schriftstellerin Lucy Barton. Zuletzt erschien 2019 mit „Die langen Abende“ die lang erwartete Fortsetzung von „Olive Kitteridge“. Elizabeth Strout ist seit 2011 mit dem ehemaligen Bundesanwalt James Tierney verheiratet und lebt in New York und Maine.
02. November 2021, New York. Elizabeth Strout hat noch die alte Telefonvorwahl von Manhattan: 212. Über die Jahre ist das Kürzel so etwas wie ein Statussymbol geworden. Wer einen 212-Anschluss hat, nimmt ihn entweder mit ins Grab oder verkauft ihn vorher für eine hohe dreistellige Dollarsumme. Auch ihre literarische Heldin Lucy Barton ließ Strout zwischenzeitlich in der Nachbarschaft wohnen, dabei kommt Barton bekanntlich aus ärmlichen Verhältnissen. Aber Status, Klasse und Milieu haben die Pulitzerpreisträgerin schon immer interessiert, und deshalb spielen sie auch in ihrem neuen Roman „Oh, William!“ eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Figuren ist Elizabeth Strout im Gespräch alles andere als streng.
Elizabeth Strout, Ihr neuer Roman führt die Story Ihrer Romanheldin Lucy Barton weiter, der Sie bereits zwei Bücher gewidmet haben. Etliche Charaktere von früher kommen auch wieder vor, was die Frage aufwirft: Kann man sich Ihr Büro wie das von einem Fallanalytiker im Fernsehen vorstellen, mit einer Wand voller Bilder von Tatverdächtigen, Karten und bunten Fäden, die Sie alle verflechten?
(lacht) Von einer derartigen Organisation kann ich nur träumen, denn organisiert bin ich leider gar nicht. Meine Geschichten finden alle in meinem Kopf statt, und nur ab und zu schreibe ich einzelne Szenen nieder. Das ist also eher so etwas wie eine Zettelwirtschaft. Die meisten Zettel schmeiße ich früher oder später auf den Fußboden, und die, die am Ende noch auf dem Schreibtisch sind, finden dann den Weg in meine Romane.
Das ist erstaunlich, zumal Sie dabei die Regeln der Chronologie außer Kraft zu setzen scheinen: Mit welchem der drei Romane man als Leser anfangen möchte, macht keinen Unterschied, soweit sich das im Nachhinein beurteilen lässt.
Das war zwar nie meine Absicht, aber ich glaube auch, dass das tatsächlich so ist. Vielleicht ist das wie im richtigen Leben, wenn man einer Person zum ersten Mal begegnet und sich dann peu à peu näher kennenlernt. Auf die Reihenfolge der Informationen, die wir von anderen erhalten, haben wir keinen Einfluss. Das gilt sogar für enge Familienmitglieder.