Deutschland summt!

März 2018 / Seite 4 von 4

„Je mehr man sich mit der Imkerei beschäftigt, desto weniger kommt es auf den Honigertrag an.“ Uwe Marth

Uwe Marth ist ein Imker, die seine Honigbienen für die Kampagne „Berlin summt“ zur Verfügung gestellt hat. Im Interview beantwortet er Fragen, die sich angehende Hobby-Kollegen stellen dürften.

Herr Marth, wann und wie haben Sie mit dem Imkern angefangen?

Das war 1996. Als wir in unser neues Haus gezogen sind, hingen dort überall Vogelkästen. Irgendwann habe ich die saubergemacht und eine Hornissenkönigin gefunden. Damals wusste ich schon, dass Hornissen eigentlich sehr friedfertig sind, und habe beim Senat angerufen, um mir Hilfe beim Umsetzen der Königin zu holen. Kurz danach dachte ich, dass es doch schön wäre, Bienen im Garten zu haben. Zufällig traf meine Frau dann über die Arbeit auf den Vorsitzenden eines Imkervereins. Der hat mir die ersten Schritte ermöglicht und zwei Schwärme besorgt. Anfangs hatte ich noch Bedenken, ganz allein an die Bienen zu gehen, aber nachdem er mir alles gezeigt hatte, wollte ich selber ran.

Spielte der Naturschutzgedanke auch eine Rolle?

Ja. Als wir in den Urlaub gefahren sind, fiel mir plötzlich etwas auf: Ich erinnerte mich, dass man in den 60ern praktisch an jeder Tankstelle die Scheiben putzen musste, weil überall Insekten klebten. Inzwischen gibt es das kaum mehr. Ich glaube, den Leuten ist mittlerweile bewusst geworden, dass unsere Umwelt stark gefährdet ist. Ohne die Insekten und die Bienen wäre die Natur arm dran. Manche Pflanzen werden zwar auch vom Wind bestäubt, aber die Bestäubung durch Bienen ist viel effektiver. Hinzu kommt, dass man die Leistung der Honig- und Wildbienen, etwa bei Bäumen oder kleineren Pflanzen, gar nicht so mitbekommt, weil diese keinen sichtbaren Ertrag liefern. Von der Bestäubung durch Insekten ist die ganze Ökologie abhängig. Als Imker hat man das vor Augen und kann ein wenig dabei helfen. Vermutlich hat das in den letzten 20 Jahren auch zu einem gewissen Boom geführt: Heute gibt es allein in Berlin etwa 1.500 Imker. Als ich 1996 angefangen habe, waren es noch 560.

Wie lange haben Sie gebraucht, um das Imkern selbstständig zu meistern?

Nach etwa fünf, sechs Jahren konnte ich zuverlässig die Königin im Stock finden. Man geht von fünf bis zehn Jahren aus, die es braucht, um ein geübter Imker zu sein. Wobei manche nach etlichen Jahren noch nachfragen, andere nehmen sich ein Buch und einen Bienenstock und machen alles ganz alleine.

An wen sollte man sich bei Interesse wenden?

Fast alle Imkervereine geben Hilfe bei der Einrichtung eines Bienenstandes. In Berlin bietet die Freie Universität Berlin seit Jahrzehnten sehr gute, kostenlose Imkerkurse an. Die Fortbildung im Imkerverein sollte aber nicht vernachlässigt werden. Wenn man da gut angeschlossen ist, wird einem mit einem Ableger geholfen oder man bekommt, so wie ich, einen Schwarm von seinem Imkervater.

Auf welche Kosten muss man sich bei diesem Hobby in etwa einstellen?

Als Grundstock für die Imkerarbeit (Jacke, Hut, Stockmeisel, Kehrbesen) sollte man etwa 50,- € einplanen, eine Beute (Wohnung) für ein Bienenvolk kostet ca. 80,- € bis 120,- €, je nach Qualität. Ich selbst habe Ableger, kleine Neuvölker, gemacht, für die ich mir im nächsten Jahr einen Eimer Honig oder 80,- € bis 100,- € als Ersatz erbeten habe. Meist hat man schnell genug Leute zusammen, die einem Honig abkaufen, dass man bei diesem Hobby bei plus minus Null rauskommt.

Von wie viel Honig pro Jahr kann man in Ihrem Fall reden?

Ich habe inzwischen 80 bis 90 Bienenvölker gehabt, teilweise bis zu 20 gleichzeitig. Der Ertrag hängt sehr vom Standort und vom Jahrgang ab, wobei ich es nie auf den höchsten Ertrag abgesehen habe. Nur zur Erinnerung: Ein Bienenvolk verbraucht je nach Größe 100 bis 300 Kilo Nektar pro Jahr selbst, und nur wenn ein Überschuss vorhanden ist, kann der Imker etwas wegnehmen. Ein Volk, das im Rahmen der Kampagne auf dem Berliner Dom steht, hat einmal 50 Kilo Ertrag produziert. 20 bis 25 Kilo pro Ertragsvolk sind aber eher die Regel. Manche reden auch von 70 Kilo, aber das ist womöglich Imkerlatein. Insgesamt gilt: Je mehr man sich mit der Imkerei beschäftigt, desto weniger kommt es einem auf den Honigertrag an.

Sondern auf was?

Das Schönste ist, zu lernen, dass man einem Organismus gegenübersteht, der sich durch Tod und Geburt der Bienen verändert und trotzdem den gleichen Charakter behält. Ein Bienenschwarm benimmt sich wie ein Körper. Mit Ausnahme der Königin sind die Bienen des Sommers andere als im März. Es ist wie ein Mensch, der wächst: Es bleibt derselbe Mensch, aber er hat seine gesamte Zellstruktur einmal verändert. Die Bienenvölker benehmen sich alle unterschiedlich, bleiben sich selbst aber jeweils immer gleich. Die einzelne Biene stirbt nach 60 Tagen, aber es werden neue geboren, die genau in das System eingebaut werden und die Aufgaben der vorhergehenden übernehmen. Das finde ich unglaublich faszinierend.

Stellen Ihre Bienen eine bestimmte Sorte Honig her?

Ja, die wunderbare Berliner Mischung (lacht). Da sind 40, 50 verschiedene Pollen drin. Den dürfte man gar nicht nach einer Sorte benennen, sondern nur als Frühlings- oder Sommerhonig bezeichnen. Die Menschen ahnen nicht, wie vielfältig der Honig allein in der Stadt schmeckt. Auch von Jahr zu Jahr gibt es Unterschiede, je nachdem wie die Blühzeiten sind. Ich zitiere den Nobelpreisträger Karl von Frisch, der vor etwa 50 Jahren den Bienentanz entschlüsselt hat: „Der Bienenstaat gleicht einem Zauberbrunnen – je mehr man daraus schöpft, desto reicher fließt er.“

Folgende Frage soll ich Ihnen im Namen meiner Großnichte stellen: Wie oft sind Sie inzwischen schon gestochen worden?

(lacht) Oh, das kann ich nicht zählen! Einmal bin ich von über 50 Bienen gleichzeitig gestochen worden, als ich versehentlich zwei aneinanderklebende Kästen zusammen herausgehoben habe. Der eine ist runtergefallen, da waren die Bienensauer. Dazu muss man wissen, dass ich ohne Anzug und Handschuhe arbeite. Weil ich manchmal auch Vorführungen für Schulklassen gebe, ist es mir wichtig, den Kindern zu zeigen, dass selbst wenn die Bienen mich stechen, ich nicht schreie, sondern den Stachel rausziehe und ihnen die kunstvollen Widerhaken zeige. Zur Not habe ich natürlich noch einen Stift gegen Stiche dabei, falls jemand anderes gestochen wird.

Die Schulhof-Wandermärchen, denen zufolge man nach soundsovielen Bienenstichen geliefert ist, stimmen also nicht?

Das kommt darauf an. Wenn man zu den zwei Prozent Allergikern gehört, kann ein Bienenstich durchaus auch zu einem Herzstillstand führen und tödlich sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass hierzulande jedes Jahr mehr Menschen durch Bienen- als durch Wespenstiche sterben, wobei es auch gegenteilige Effekte gibt. Durch das Stechen, und das ist eine alte Weisheit, wird man sensibilisiert. Denn die von den Bienen produzierte Propolis, mit der sie seit Millionen von Jahren ihre Nester auskleiden, wirkt antibiotisch, antiviral und antimykotisch. Die Propolis wird etwa bei der Apitherapie genutzt und hat mir anscheinend auch schon geholfen. Als ich mit den Bienen angefangen habe, war ich allergisch gegen Frühblüher wie Birke und Haselnuss und verschiedene Speisen. Nach zwei Jahren Imkerei jedoch war ich plötzlich sämtliche Allergien los.

Zur Person

Die Initiative „Deutschland summt!“ kämpft seit 2011 gegen das Bienensterben und für eine bessere Wertschätzung biologischer Vielfalt. Neben einer spektakulären Imkerei-Kampagne setzen die Initiatoren Dr. Corinna Hölzer und Cornelis Hemmer dabei vor allem auf den Mitmachfaktor gemeinschaftlicher Gartenaktionen und den Spaß an einem unverfälschten Naturerlebnis. Unter dem Motto „Informieren, inspirieren, mobilisieren“ haben sie ein bundesweites Netzwerk aufgebaut, in dem noch jede Menge Waben für neue Bienenfreunde frei sind.

Teilen Sie dieses Interview:

Seite 4 von 4