Clive Chin
„Jeder kann ein Rastafari sein.“
Zur Person
Clive Chin wurde am 14.04.1954 in Kingston/Jamaika als Kind eines chinesischen Einwanderers und einer Jamaikanerin geboren. Über seinen Vater, der Jamaikas Jukeboxes mit Singles bestückte, entdeckte er bereits als Kind seine Liebe zur Musik und half dem Vater in Kingston den legendären Plattenladen Randy’s Record Store sowie das angeschlossene Studio Randy’s Studio 17 zu etablieren. Bereits im Alter von 15 arbeitete er als eigenständiger Produzent in diesem Studio, produzierte Künstler wie The Wailers, Lee Scratch Perry, Dennis Brown und Black Uhuru. Stets interessiert an Innovationen, schuf er gemeinsam mit dem Musiker Augustus Pablo ein neues Musikgenre: den Dub. Pablos Album „Java Java Dub“ von 1973 gilt gemeinhin als erstes Dub-Album der Geschichte. Nach der Übersiedlung seiner Familie nach New York, wo der Vater erneut einen Plattenladen und ein Label betrieb, ging Chin für 15 Jahre unter die Gastronomen. Erst in den 90er-Jahren begann er wieder mit dem Produzieren. Chin lebt in Kingston und New York und arbeitet neben seinen Produktionen als weltweit gefragter DJ.
06.04.2013. Wir treffen Clive Chin am Nachmittag vor seinem abendlichen DJ-Set im Hamburger Club Knust. Der Pionier des Reggae und Erfinder der Dub-Musik ist ein kleiner, leiser, betont unaufgeregter Mann, der bei Tee und Wasser aus seinem abwechslungsreichen Leben erzählt. Anekdoten liegen ihm dabei nicht so sehr wie die Betrachtung der eher metaphysischen Aspekte der von ihm mitinitiierten Musikgenres.
Clive, seit über 50 Jahren verfolgen Sie die Entwicklung von jamaikanischen und karibischen Musikstilen wie Ska, Reggae, Dub, Rock Steady und Dancehall. Können Sie eine Periode ausmachen, die Sie als die vitalste und spannendste bezeichnen würden?
Clive Chin: Ganz klar: die 70er.
Warum gerade dieses Jahrzehnt?
Anfang der 60er begann sich nicht nur in Jamaika eine eigenständige Musikszene zu entwickeln. Es war das erste Mal in der Geschichte der modernen Musik, wo man davon sprechen konnte, dass etwas wirklich ‚unabhängig’ ist – unabhängig von Moden, der Industrie, konservativen Lebensmustern und Vorbildern. Nachdem die 60er dazu genutzt wurden, diese Unabhängigkeit mit Leben zu füllen, brach dann in den 70ern eine wunderbare künstlerische Anarchie aus. Jeder machte einfach, was ihm gerade in den Sinn kam, die Unabhängigkeit war nicht mehr neu, sondern selbstverständlich. Daraus erwuchs viel Aufregendes und Spannendes.