
Claudia Roth
„Kunst muss Zugehörigkeit schaffen.“
Zur Person
Claudia Roth, geboren am 15. Mai 1955 in Ulm, arbeitete ab 1975 zunächst als Dramaturgie-Assistentin, später als Dramaturgin an den Städtischen Bühnen in Dortmund sowie am „Hoffmanns Comic Teater“ in Unna. Von 1982 bis 1985 war sie Managerin der Band Ton Steine Scherben um Rio Reiser. Als Pressesprecherin der ersten grünen Fraktion im Deutschen Bundestag wechselte sie 1985 in die Politik. Von 1998 bis 2001 war sie Vorsitzende des neu gegründeten Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, zwischen März 2003 und Oktober 2004 dann Beauftragte der rot-grünen Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. 2001 wurde Roth erstmals Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. 2022 wurde sie zur Staatsministerin für Kultur und Medien der rot-grün-gelben Bundesregierung ernannt.
21. September 2022, Berlin. Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur, residiert im achten Stock des Kanzleramts mit einem ziemlich spektakulären Blick über die Stadt. Sie verabschiedet noch den Fotografen und führt im Anschluss kurz durch die vielfältige Kunstsammlung in ihrem Büro, bevor es dort mit dem Gespräch weitergeht. Roth behält dabei den Mantel an, ihr ist noch kalt vom Shooting auf der Terrasse. Bei einer Tasse Kaffee und gelegentlichen Ausflügen in die große Zeit von Ton Steine Scherben taut sie allerdings zusehends auf.
Claudia Roth, diese Zeitenwende, von der zuletzt so viel die Rede war – erleben wir die auch in der Kultur?
Kultur ist ja kein eigener Kosmos, sondern Teil unseres Lebens. Den Begriff Zeitenwende würde ich dafür nicht benutzen. Das radikal Neue ist, dass wir mit mehreren großen Krisen gleichzeitig konfrontiert sind, die sich wie tektonische Platten überlagern und sich dadurch auch gegenseitig verstärken. So würde ich es lieber beschreiben. Das fängt bei der Pandemie an, die noch längst nicht vorbei ist, und reicht über den Krieg in der Ukraine bis zur Klimakrise. Zusammengenommen ergibt sich daraus eine Zeit, in der die Krise fast schon zum Normalzustand geworden ist.
Wie schaffen Sie es, diese Herausforderungen nicht als unbezwingbaren Berg zu sehen, vor dem man eigentlich nur kapitulieren kann?
Wenn ich behaupten würde, mit dem Grundgefühl durch die Welt zu spazieren, dass alles schon irgendwie wieder gut wird, wäre das gelogen. Natürlich scheint das alles manchmal zu viel zu werden, es schleicht sich ein apokalyptisches Gefühl ein. Aber anstatt mich dem zu ergeben, frage ich lieber: Wo gibt es konkrete Ansatzpunkte, gegen diese Krisen vorzugehen?