Christian Zottl

Christian Zottl

„Psychisch Kranke sind ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft“

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  • Sandra Steh
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11.05.2016, München. In der Nähe des Hauptbahnhofs, versteckt in einem ruhigen Hinterhof, liegen die Räumlichkeiten des Vereins Angst-Hilfe e.V. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet die gemeinnützige Einrichtung bundesweit auf vielfache Weise zum Thema Angststörungen. Eine besondere Rolle spielen dabei ihre Selbsthilfegruppen, deren Münchner Ableger sich ebenfalls hier in der Zentrale treffen. Christian Zottl, Geschäftsführer des Vereins, hat sich den Nachmittag freigeräumt und in seinem Büro Wasser, Kaffee und Kekse bereitgestellt. An den Wänden hängen Bilder von Bergen, in den Regalen stehen Fachbücher. Wohlüberlegt und in aller Ruhe erzählt Zottl, was Menschen mit Angststörungen durchmachen, welche Chancen Selbsthilfegruppen bieten und warum ihm die US-Serie „Homeland“ bei der Arbeit hilft.

Herr Zottl, jeder Mensch hat mal Angst. Vor einer Prüfung. Vor einem bellenden Hund. Vor einem wichtigen Gespräch. Wann wird aus der Angst ein so großes Problem, dass von einer psychischen Störung gesprochen werden muss?

Evolutionsgeschichtlich hat die Angst einen entscheidenden Teil zum Überleben des Menschen beigetragen. Sie schützt uns vor gefährlichen Situationen und kann ein hilfreicher Wegweiser sein. Wenn sie aber den Alltag so sehr bestimmt, dass die Betroffenen ihr Leben nicht mehr gestalten können, wie sie wollen, stellt sie eine Störung dar. Ab welchem Punkt der Leidensdruck so groß ist, dass Betroffene sich Hilfe suchen, ist unterschiedlich.

Wovor haben die Erkrankten in erster Linie Angst?

Unter dem diagnostischen Begriff „Angststörung“ versammeln sich viele unterschiedliche Phänomene. Eine Panikstörung zum Beispiel ist eine plötzlich auftretende Angstattacke. Oft gibt es keinen erkennbaren Auslöser, das ist besonders irritierend für die Betroffenen. Es passiert beim Einkaufen, beim Spazierengehen – plötzlich hat man panische Angst, verbunden mit Herzrasen, Atemnot, Schweißausbrüchen, Schwindel oder dem Gefühl, verrückt zu werden. Viele denken, sie haben eine tödliche Herzattacke. Im Krankenhaus lässt sich aber nichts feststellen, und es wird klar, dass es sich um ein psychisches Problem handelt. Dieses Erlebnis stellt das Leben der Menschen völlig auf den Kopf, weil sie immer Angst haben, es könnte sie wieder treffen. Das ist typisch bei Angststörungen: die Angst vor der Angst.

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