
Bodo Janssen
„Ohne die Stille kann der Mensch nicht wachsen.“
Zur Person
Bodo Janssen (geboren 1974) studierte BWL und Sinologie. Im Alter von 24 Jahren wurde der Sohn des millionenschweren Bauunternehmers und Hoteliers Werner Hermann Janssen entführt und nach acht Tagen und einigen Strapazen von einem SEK befreit. 2005 stieg er in das elterliche Hotelunternehmen ein. Als sein Vater 2007 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, übernahm er die Führung der Hotelkette Upstalsboom. Nach vernichtenden Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung im Jahr 2010 ging Janssen über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren regelmäßig in ein Kloster. Er ist Autor mehrerer Bücher, zusammen mit Pater Anselm Grün schrieb er den Bestseller „Stark in stürmischen Zeiten“. Bodo Janssen lebt mit Frau und drei Kindern in Emden.
24. März 2021, Hamburg. Der erste echte Frühlingstag des Jahres im Norden. Bodo Janssen ist nur mit einem Rucksack als Gepäckstück aus Emden angereist und lässt sich gern auf einen Spaziergang ein. Der Autor und Chef der Hotelkette Upstalsboom strahlt die Herzlichkeit aus, die aus den Aphorismen seiner Bücher durchscheint. Es wirkt überzeugend, wenn er von Verzicht und Menschlichkeit spricht, davon, wie er mit seinen Ängsten umgegangen ist und vom Schweigen profitiert hat. Über zwei Stunden reden wir, unterbrochen nur durch einen Videocall, bei dem er von Spendenwilligen das pandemiebedingt ausgebliebene Trinkgeld für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsammelt.
Bodo Janssen, Sie schreiben in Ihrem neuen Buch von einem schwarzen Büchlein, das Sie jeden Morgen aufklappen, um sich Dinge zu notieren. Was haben Sie heute früh hineingeschrieben?
Heute tatsächlich noch nichts. Ich habe aber das Wochenende und den Frühlingsanfang reflektiert. Der Frühling ist für mich eine Zeit, die ich sehr liebe. Ich stehe morgens sehr früh auf und kann anhand des Vogelgezwitschers erahnen, welche Uhrzeit wir ungefähr haben. Der frühe Morgen ist eine sehr wichtige Zeit. Eine Zeit der Stille, des Wahrnehmens.
Sie stehen jeden Tag um 4:15 Uhr auf, ohne Wecker.
Ich bin während meiner Zeit im Kloster in diesen Rhythmus gekommen und habe mich daran gewöhnt. Der Aufenthalt dort hat meinen Bezug zum Thema Zeit insgesamt geprägt. Worum es im Kloster geht, ist die Gegenwärtigkeit: Ich entscheide mich bewusst dagegen, auf etwas zu warten, denn in dem Moment, in dem ich das Erhoffte nicht erlebe, entsteht Ungeduld. Je mehr ich mich in der Gegenwart befinde, desto weniger habe ich dieses störende Zeitempfinden. Diese sehr gegenwärtigen vier Stunden am frühen Morgen schenken mir Sicherheit. Als Kind habe ich mir, wenn mir alles zu viel wurde, Höhlen gebaut und mich darin versteckt. Dieses Gefühl, das ich damals hatte, diese Geborgenheit: Das ist das, was ich morgens empfinde. Ruhe. Klarheit. Sicherheit.