Björk

Björk

„Je eigennütziger man ist, desto mehr hat man später zu geben.“

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  • Vidar Logi // Getty Images
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23. September 2022, Reykjavík. Lange ist nicht klar, ob das Gespräch mit Björk zustande kommt. Mit dieser isländischen Ausnahmekünstlerin, die ihre Klangwelten in Kostümen auf ihren Körper überträgt und die in ihren Videos ihre Musik sichtbar, ja nahezu greifbar werden lässt. Immer wieder hörte man von ihr, dass ihre Musik mit Bildern beginne. Im Zoom-Call gibt es allerdings kein Bild. Der Bildschirm bleibt schwarz. Trotzdem schafft Björk es, durch aufrichtige und ausführliche Antworten eine Nähe herzustellen, die ähnlich berührend ist wie ihr neues Album „Fossora“, auf dem sie den Tod ihrer Mutter verarbeitet. Ein Gespräch über die Gewissheiten, die wir am Ende des Lebens suchen, über Mutter-Tochter-Beziehungen und die Frage: Wie wird man eigentlich Björk?

Björk, Sie und Ihre Musik umgab immer etwas Enigmatisches. Nun machen Sie mit „Sonic Symbolism“ einen Podcast, in dem Sie Ihr Werk erklären, während die Videos zu Ihrem neuen Album „Fossora“ Untertitel tragen. Sind Sie nun in einer Schaffensphase angelangt, in der Sie vor allem verstanden werden wollen?

Eine interessante Frage. Ich habe das Gefühl, dass ich seit drei Alben zu dem eher narrativen Teil meines Werks übergegangen bin. Meine Lyrics sind mir heute wesentlich wichtiger als früher. Das mag vielleicht daran liegen, dass, wenn ich in die Oper gehe – Sie wissen, ja, da gibt es auch Untertitel beziehungsweise Übertitel –, sich die Art und Weise verändert, mit der ich die Musik aufnehme. Ich mag das, denn meiner Wahrnehmung nach verbinden mich die Worte noch mehr mit der Musik. Vielleicht auch, weil ich als Isländerin Untertitel gewohnt bin, denn bis auf Kinderfilme und Kinderserien synchronisieren wir nichts, für uns ist es normal, Filme auch zu lesen. In der Pandemie habe ich sehr viele Filme geschaut, viel mehr als zuvor, und auch bei englischsprachigen Filmen schalte ich immer die Untertitel dazu. Der Film wird dann haptischer.

Untertitel zerlegen einen Film oder Song, sie machen die textliche Ebene sichtbarer.

Es mag aber auch damit zu tun haben, dass ich als Songwriterin reifer geworden bin. Dass das, was ich zusammenwebe, nicht mehr in erster Linie aus Bildern und Klangwelten besteht, sondern auch aus Geschichten aus dem Leben. Seit drei Alben spiele ich diese, kurz bevor sie fertig sind, ein paar sehr ausgewählten guten Freunden vor – bei mir zu Hause und zu einem Zeitpunkt, zu dem ich noch etwas daran ändern könnte. Und für diese Abende drucke ich die Lyrics aus. Bei meinem Album „Vulnicura“ habe ich damit angefangen, weil es eine chronologische Geschichte erzählt. (Björks Scheidung von dem amerikanischen Künstler Matthew Barney, Anm. d. Red.) Bei „Utopia“ gab es zwar keine Chronologie, aber dennoch habe ich das Ausdrucken der Texte beibehalten. Und nun bei „Fossora“: Ich glaube, meine Freunde wären nicht so berührt gewesen von der Musik, wenn sie nicht die Lyrics dazu hätten lesen können.

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