Aviv  Geffen

Aviv Geffen

„Da wächst eine ganze Generation voller Hass heran.“

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Zur Person

14.01.2009, im ICE zwischen Berlin und Hamburg. Der israelische Popstar und Friedensaktivist erscheint verspätet und gesundheitlich angeschlagen am Hauptbahnhof. Für Fotos bleibt bei beißender Kälte kaum Zeit. Den Hinweis, dass eine in der Haupthalle hastig gerauchte Zigarette keine allzu gute Idee sei, quittiert Aviv Geffen mit einem trockenen Lachen. „Ich kann ja sagen, ich sei Jude, dann geht das schon.“ Im Zug besteht er trotz gebuchtem Abteil in der Ersten Klasse auf den Umzug ins überfüllte Bordrestaurant. Rauchen darf er freilich auch dort nicht.

Mr. Geffen, eine unbehelligte Zugfahrt wie diese wäre in Israel bei Ihrer Popularität ein Ding der Unmöglichkeit. Gefällt es Ihnen, ab und an in die Anonymität abzutauchen?

Aviv Geffen: Allerdings. Hier mit Ihnen in diesem Zug zu sitzen, das ist wie ein kleiner, lang vermisster Urlaub für mich. Ich habe quasi niemals frei, wissen Sie. Nennen wir es: eine Pause vom eigenen Ego. Mal auf den Boden zurück zu kommen, ist sehr gesund.

Wie oft denken Sie an einem normalen Tag an jenen schicksalhaften Abend im November 1995 zurück, als der israelitische Ministerpräsident Jitzchak Rabin vor Ihren Augen erschossen wurde – und welche Gefühle kommen dabei in Ihnen hoch?

Die selben wie damals: eine tiefe Traurigkeit über eine verpasste historische Chance. Körperlicher Schmerz. Für mich fühlt es sich so an, als wäre Jitzchak Rabin erst gestern erschossen worden. Ich war der letzte, der ihn auf der Bühne umarmt hat, und Sekunden später sah ich, wie die Schüsse fielen und er zusammensackte. Ich war der Hauptzeuge der Anklage. Für die Geschichte Israels war das ein historisch einschneidender, fataler Moment, beileibe nicht bloß eine persönliche Tragödie. Denn wäre Rabin noch am Leben – ich denke, wir hätten mittlerweile Frieden geschlossen mit Syrien und den Palästinensern. So aber wurde am 4. November 1995 der Traum einer ganzen Generation hingerichtet und zu Grabe getragen – und mit ihm all meine Hoffnungen und mein Glaube. Mein gesamtes Leben änderte sich von Grund auf. Ein Teil von mir ist an diesem Abend mit Rabin gestorben.

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