Armin Nassehi

Armin Nassehi

„Veränderungen finden selten disruptiv statt.“

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  • Enno Kapitza
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Zur Person

6. Juli 2021, München. Der Soziologieprofessor Armin Nassehi hat sich für das Zoom-Interview ins Freie begeben. In kurzer Trainingshose, wie er während des Gesprächs verrät. Warum nicht, in Homeoffice-Zeiten gibt es ja gürtelabwärts keinen Dresscode mehr. Der hochdekorierte Wissenschaftler hat gerade ein neues Buch mit dem Titel „Unbehagen“ veröffentlicht. Von ebenjenem ist während der folgenden Stunde nichts zu spüren. Nassehi nimmt so entspannt wie scharfsinnig unsere vermeintlich krisengeschüttelte Gesellschaft auseinander und verströmt dabei beste Laune. Gute Voraussetzungen für ein Gespräch darüber, ob sich mit Soziologie die Welt retten lässt.

Armin Nassehi, kann eine Theorie dabei helfen, den Alltag besser zu bewältigen?

Da mein Alltag hauptsächlich darin besteht, mit soziologischen Theorien zu arbeiten, trifft das auf mich natürlich zu. Wenn man sich bewusst ist, dass wir nur sehen, was wir sehen, dann lässt sich schon bemerken, wie sich die wissenschaftliche Beschäftigung auch in Alltagsmomenten niederschlägt.

Haben Sie ein Beispiel für eine soziologische Beobachtung in einer gewöhnlichen Situation?

Ich bin ein leidenschaftlicher Sänger und singe im Chor, heute Abend übrigens das erste Mal seit Beginn der Pandemie. Das ist eine Situation, in der man gleichzeitig etwas tun muss – jedenfalls sollte das bei einem Chor so sein! Dort läuft Handlungskoordination ganz ohne semantische Formen, ohne Absprachen, sondern rein ästhetisch, rhythmisch, gleichzeitig – über etwas, das man selbst nicht kontrollieren und kausal herstellen kann. Ich denke beim Singen sehr oft, dass es eine ganz besondere Art der Sozialform ist, bei der man gar nicht genau weiß, ob man selbst handelt oder eher mitgerissen wird. Andererseits sollte man den Chorgesang auch nicht intellektualisieren, sonst trifft man weder den Ton noch den Einsatz.

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