Antonythasan Jesuthasan
„Lachen ist in Europa wie Essen: Es gibt gewisse Zeiten dafür.“
Zur Person
Antonythasan Jesuthasan wurde 1967 im tamilischen Teil Sri Lankas geboren. Schon als Jugendlicher ging er in den Untergrund und kämpfte an der Seite der militanten LTTE für die tamilische Unabhängigkeit gegen die sri-lankische Regierung. 1986 verließ er die Organisation und schlug sich über Umwege nach Frankreich durch, wo er seit 1993 als Staatenloser lebt. Bereits als Revolutionär wurde er von einem Freund in die Geheimnisse der Literatur eingeweiht. 2001 schrieb er seine erste Novelle „Gorilla“, über seine eigenen Erfahrungen als Kindersoldat für die LTTE. Mittlerweile umfasst sein Oeuvre 20 Werke. Seine Schauspiel-Karriere startete er 2011. Der Film „Dämonen und Wunder – Dheepan“ des französischen Regisseurs Jacques Audiard, in dem Jesuthasan die Hauptrolle spielt, gewann 2015 die Goldene Palme in Cannes.
Hamburg, 07.10.15. Antonythasan Jesuthasan absolviert während des Hamburger Filmfests einen zweitägigen Interviewmarathon. Er präsentiert den Film „Dämonen und Wunder – Dheepan“, die Geschichte eines ehemaligen Freiheitskämpfers, der vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Frankreich flüchtet – autobiographische Bezüge drängen sich auf. Wir treffen einen nachdenklichen, zurückhaltenden Menschen, der in Europa beheimatet ist und dennoch aus einer anderen Welt stammt. Die Transformation vom Untergrundkämpfer zum Schauspieler und Literaten scheint ein verwegener Lebensweg zu sein, Stoff für Romane hat Antonythasan jedenfalls genug. Sein Gesicht zeigt harte Verwundungen und dennoch eine seltene Tiefe im Innenleben. Sein Lachen ist ein Erlebnis.
Herr Jesuthasan, was bedeutet Ihnen Heimat?
Antonythasan Jesuthasan: Heimat bedeutet mir nichts. Als ich in Sri Lanka geboren wurde, hatte ich keine Heimat. Unser Land ist vom sri-lankischen Militär eingenommen worden, mein Dorf ist immer noch in seinem Besitz. Nun lebe ich seit 22 Jahren in Frankreich. Ich besitze keine Nationalität, nicht die französische, nicht die aus Sri Lanka. Offiziell bin ich ein Staatenloser, der keinen Pass hat, sondern lediglich ein französisches Reisedokument für Flüchtlinge.
Haben Sie eine Idee, was Heimat bedeuten kann? Vielleicht eine prägende Erinnerung aus der Kindheit?
Ich hatte zumindest einmal einen Traum: dass die Unabhängigkeitspartei in Sri Lanka, die Befreiungstiger von Tamil Eelam, deren Mitglied ich war, meine Heimat und somit die neue Hoffnung sein könnten. Wir haben für einen unabhängigen Staat gekämpft, aber wir haben den Kampf verloren, und ich musste Sri Lanka verlassen. Ich habe noch drei Brüder und eine Schwester. Sie alle sind Flüchtlinge, zwei in Deutschland, die anderen beiden in Frankreich, während meine Mutter in Indien lebt. Ich hatte also keine Heimat, aber immerhin Hoffnung, als ich noch jung war. Dieser Traum ist inzwischen geplatzt.