Anne-Sophie Mutter
„Wir sollten unseren Beruf relativieren: Wir sind keine Neurochirurgen.“
Zur Person
Anne-Sophie Mutter (geboren am 29.06.1963) wächst in Wehr am Südrand des Schwarzwalds auf. Geigenunterricht nimmt sie ab dem fünften Lebensjahr, bereits mit sechs Jahren wird sie vom Schulbesuch befreit und von ihrer Mutter sowie Privatlehrern unterrichtet. Als sie sieben Jahre alt ist, spricht man bereits von einer „Jahrhundert-Begabung“, und als sie mit 13 dem Stardirigenten Herbert von Karajan vorspielt, verkündet der: „Ich habe eine Geigerin entdeckt, die ein Wunder ist.“ Er engagiert sie für die Salzburger Festspiele, es folgt eine Weltkarriere. Mutter besitzt zwei Stradivaris, eine davon ist die „Lord Dunn-Raven“ von 1710. 1997 gründet sie eine Stiftung zur Förderung hochbegabter Musiker. 1989 heiratet sie den Rechtsanwalt Detlef Wunderlich. Der Vater ihrer heute erwachsenen Kinder stirbt 1995 an Krebs. Von 2002 bis 2006 ist sie mit dem Komponisten und Dirigenten André Previn verheiratet. Sie lebt in München.
6. Oktober 2017, München. Auf den Aufzug zu warten, ist nicht ihr Fall. Das Interview findet im 4. Stock eines Fünf-Sterne-Hotels statt. „Prima“, sagt sie, da könne man doch auch über die Treppen rauf. Anne-Sophie Mutter, zierlich, aber voller Energie, ist so gekleidet, dass rasche Bewegungen möglich sind. Statt der enganliegenden Couture-Roben, die sie bei ihren Auftritten trägt, besteht das heutige Outfit aus einem rosa Shirt mit blauem Blazer darüber und einer beigefarbenen Hose. Der Blick der Violinistin ist wach, ihr Ton heiter, ihre Botschaften ernst. Am nächsten Tag geht es nach Monte Carlo, dann auf den Jakobsweg, aber jetzt ist erst mal Zeit für einen ehrlichen Blick auf die Welt – und sich selbst.
Frau Mutter, Sie haben zwei Hunde. Wie werden Sie begrüßt, wenn Sie nach Hause kommen?
Da hat sich in den vergangenen acht Jahren nichts geändert. Bonnie und Clyde, beides Zwergrauhaardackel, bellen, springen hoch und rennen im Kreis. Die Begeisterung ist jedes Mal groß, es ist ein Erstaunen darüber, dass ich wieder auftauche. Ob Hunde ein Zeitgefühl haben, ist nicht erwiesen. Aber es gibt die Theorie, dass Hunde nach zwei Wochen beginnen, sich verlassen zu fühlen, weil dann in ihnen die Erkenntnis erwächst, dass da ein Abschied stattgefunden hat.
Demnach sollten zwei Wochen Abwesenheit nicht überschritten werden.
Länger als 14 Tage bin ich allein schon wegen meiner beiden Kinder nie von zu Hause weg gewesen. Das ist die maximale Trennungsphase. Als Musiker ist man immer ein wenig zu häufig unterwegs. Dass unser Beruf so viele Reisen mit sich bringt, ist eine bittere Note. Man muss Menschen, die man liebt und die man braucht und die einen lieben und brauchen, zurücklassen. Aber es gibt nun mal Dinge im Leben, auf die man keinen Einfluss hat. Ich kenne weder Selbstzerfleischung noch Selbstmitleid, weil ich in einer Situation bin, die nicht perfekt ist. Ich halte es mit einem Zitat aus der „Fledermaus“: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“