
Anna Ternheim
„Es war die beste Idee, meine Komfortzone zu verlassen.“
Zur Person
Anna Ternheim kam 1978 in Stockholm zur Welt. Mit zehn Jahren brachte sie sich das Gitarrespielen bei und schrieb erste Songs. Während eines Auslandsaufenthalts in Atlanta gründete sie ihre erste Band Sova, später studierte sie in Lausanne Französisch und spielte als Solokünstlerin in kleinen Clubs. Ihre erste Platte „Somebody Outside“ erschien 2004 und geriet in Schweden umgehend zum Erfolg. Die beiden nächsten Alben stiegen bis an die Spitze der Charts und erhielten Preise. Von Skandinavien aus avancierte sie auch in Europa und den USA zum Star. Ihrem vierten, in Nashville mit einer Big Band aufgenommenen Album „The Night Visitor“ (2011) folgte eine ausgedehnte Welttournee, anschließend zog sie sich zurück. Vor Beginn der Arbeit zu ihrem aktuellen Album „For The Young“ unternahm sie eine ausgiebige Reise. Gegenwärtig lebt Ternheim abwechselnd in New York und Stockholm.
03.11.2015, Stockholm. Etwa drei Stunden vor ihrem Auftritt im intimen Rahmen des Södra Teatren treffen wir eine nachdenkliche Sängerin in ihrer Garderobe. Anna Ternheim legte für ihr aktuelles Album einen weiten Weg zurück – persönlich wie geografisch. Vor Beginn der Arbeiten an „For The Young“ fühlte sie sich ausgebrannt und auserzählt. Zunächst bedächtig und stockend, im weiteren Verlauf immer zutraulicher erzählt sie von einer Reise zu sich selbst, die sie von New York über Buenos Aires bis zurück in ihre Kindheit und Jugend nach Stockholm führte. Dabei wird klar: Das Dunkle und Mystische ihrer Musik spiegelt sich auch in der Person Anna Ternheim wider.
Frau Ternheim, betrachtet man Ihren nunmehr zehn Jahre währenden Weg in der Musikbranche sowie Ihre Entwicklung als Künstlerin, bekommt man den Eindruck, dass Sie stets einem inneren Masterplan gefolgt sind. Stimmt das?
Für die ersten vier Jahre und drei Alben, seit ich in die Öffentlichkeit getreten bin, ja. Anfangs ging alles sehr schnell, es folgte Album auf Album, meine Ideen sprudelten nur so aus mir heraus und mein Eindruck war, dass ich die dabei entstehenden Entwicklungen bewusst steuerte … wenn auch flankiert durch die Hilfe von Wegbegleitern wie Produzenten und Musikern. Gleichzeitig fand ich mich stets mit einem inneren Chaos konfrontiert. Mit der ständigen Frage, wie und mit wem man diese Ideen umsetzen könnte. Wie ich weiterkommen kann. Ich fühlte mich immer ein wenig verloren und getrieben. Aber da stets etwas geschah, blieb keine Zeit, diese Dinge zu hinterfragen. Es ging ja voran, warum also zweifeln? Ich dachte in diesen ersten Jahren, einen klaren Plan gehabt zu haben. In der Rückschau stellt es sich allerdings etwas anders dar.
Der Zweifel kam dann später, nach den ersten Platten und dem internationalen Erfolg?
Ja. Seit einigen Jahren ist das alles sehr anders und erst recht mit dem aktuellen Album. Plötzlich trat der gegenteilige Effekt ein: Ich hatte Zeit und keinerlei Druck, also kamen all diese introspektiven Gedanken. Letztlich, wenn ich ehrlich bin, sogar zu viele davon. Das hat mich phasenweise ausgebremst. Aber vielleicht muss das so sein bei jemandem, der in der zweiten Hälfte seiner Dreißiger angekommen ist und zuvor wenig Zeit hatte, Innenschau zu betreiben. Irgendwann holen einen die Gedanken eben ein – zumindest, wenn man jemand ist, der prinzipiell viel über sich nachdenkt und sich aufrichtig zu spiegeln versucht.