Anke Engelke
„Das Diskutieren über Schuld macht den Menschen so klein.“
Zur Person
Anke Engelke, geboren am 21.12.1965 in Montreal, Kanada, wuchs dort dreisprachig auf. 1971 zog die Familie nach Köln. Schon als Schülerin sammelte Engelke erste Synchron- sowie Radio- und Fernseherfahrungen bei Radio Luxemburg und dem ZDF. Später begann sie ein Lehramtsstudium, das sie jedoch abbrach, um ab 1986 eine journalistische Ausbildung als Radio-Redakteurin beim SWF in Baden-Baden zu absolvieren. Als Redakteurin und Moderatorin war sie zwölf Jahre lang beim SWF3 beschäftigt, wo sie unter anderem zum Comedy-Ensemble der „Gagtory“ gehörte. Sie war Teil der Sat.1-„Wochenshow“, ihre Reihe „Ladykracher“ gilt mit acht Staffeln als erfolgreichstes deutsches Sketchformat. TV- und Kinorollen spielte Engelke in den Serien „Das letzte Wort“ oder „Deutsches Haus“ sowie in Filmen wie „Frau Müller muss weg!“ oder „Eingeschlossene Gesellschaft“. Zusammen mit Bastian Pastewka war sie 2024 in der Comedy-Serie „Perfekt verpasst“ zu sehen. Seit 2007 ist sie die deutsche Stimme von Marge in „Die Simpsons“. Beim Grimme-Preis 2022 erhielt Anke Engelke eine besondere Ehrung für ihre Leistung für das deutsche Fernsehen. Sie lebt in Köln.
4. Juli 2025, Berlin. Anke Engelke rückt sich perfekt frisiert und geschminkt in den Zoom-Bildschirm. Es ist früher Freitagabend, ein langer Interviewtag inklusive Film- und Fotoaufnahmen liegt hinter ihr. Kurz vor dem Gespräch entstand Hektik: Mehrere Züge von Berlin nach Köln fallen aktuell aus. In ihrer Heimatstadt hat sie am Samstagmorgen allerdings zu tun: Ihr Synchro-Job für Marge Simpson steht an. Unmöglich, das abzusagen! Was also tun? Interviewzeit kürzen? Darauf hoffen, dass ausgerechnet der letzte Zug doch fährt? Oder trotz Übermüdung einen Mietwagen nehmen? Das sind nicht nur logistische, sondern auch moralische Überlegungen. Und schon sind wir mittendrin im Thema. Anlass für dieses Gespräch über Moral bietet nämlich auch der Kinofilm „Dann passiert das Leben“, in dem Anke Engelke neben Ulrich Tukur eine Ehefrau spielt, die sich mit einigen moralischen Dilemmata herumquält.
Anke Engelke, ohne zu viel verraten zu wollen: Im Zentrum von „Dann passiert das Leben“ stehen zwei große moralische Themen, zum einen die Frage nach Schuld und Unschuld und zum anderen die nach der Loyalität gegenüber dem Partner. Wie ist das am Set, wenn die Kamera nicht läuft: Diskutiert man sich die Köpfe heiß?
Das fängt schon vorher an. Man bekommt das Drehbuch, der Prozess beginnt – und sofort kommen die Fragen. Ich mache es so, dass ich im Drehbuch bestimmte Stellen unterstreiche, ankreuze oder mit Fragezeichen versehe. Bei diesem Film habe ich wirklich extrem viele Notizen gemacht. Nicht weil ich am Drehbuch gezweifelt hätte, im Gegenteil: Weil mich die Fragen, die diese Geschichte aufwirft, so sehr interessiert haben. Im Vorfeld habe ich dann unglaublich viel mit Neele Vollmar diskutiert, die Regie und Drehbuch in Personalunion verantwortet. Vor Drehbeginn hatten wir die Möglichkeit, in dem Haus, in dem das Paar im Film lebt, zu proben. Das Haus stand schon, wurde aber komplett umgebaut und mit anderen Wandfarben, anderen Tapeten ausgestattet. Während die Leute werkelten, haben wird dort zur Probe gespielt und vor allem immer weiter debattiert.
Worüber genau?
Das Interessante für Ulrich Tukur und mich war, dass wir bei diesen Diskussionen auf zwei Ebenen vertreten waren. Einmal als Ulrich und Anke. Und dann als unsere Figuren: Hans und Rita. Als Anke bringe ich meine moralischen Perspektiven ein, als Fürsprecherin für Rita will ich aber wissen: Warum sagt sie das so? Und warum macht sie gerade jetzt dieses und jenes? Wir stellen diese Fragen in erster Linie, damit wir die Figuren verstehen. Denn nur dann gibt es die Chance, dass die Zuschauer sie ernst nehmen und eventuell auch verstehen.