Alexa Hennig von Lange

Alexa Hennig von Lange

„Man ist nicht notgedrungen das Opfer der Umstände.“

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  • Marzena Skubatz
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Zur Person

26. Juni 2020, Berlin. Alexa Hennig von Lange meldet sich via Skype-Anruf. Ein fröhliches Hallo schallt durch den Lautsprecher. Die Stimme ist da, das Gesicht nicht. Ein erneuter Versuch. Wieder nur die Stimme. „Moment“, sagt die Schriftstellerin, „ich hole mal kurz meinen Mann.“ Kurze Zeit später sieht und hört man die 47-jährige Autorin, die ganz in schwarz gekleidet vor einer weißen Zimmerwand in ihrer Wohnung in Berlin sitzt. Nicht der einzige Kontrast für heute, denn Widersprüche beschäftigen uns auch im Gespräch, das anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Buchs „Die Wahnsinnige“ vom Innen und Außen handelt, von Frauen und Macht und davon, wie sehr das Innenleben einer historischen Figur dem einer modernen Frau gleicht.

Frau Hennig von Lange, man könnte eigentlich davon ausgehen, dass wir nach den vergangenen Monaten Meister in Sachen Videochat sind. Wie haben Sie diese verrückte Zeit der Corona-Krise bislang erlebt?

Ich traue mich fast nicht, es zuzugeben, aber ich fand die Zeit des Lockdowns ausgesprochen schön. Aus unterschiedlichen Gründen: Ich habe fünf Kinder, von denen vier zu Hause leben und drei noch sehr klein sind. Normalerweise gibt es also neben der Arbeit immer viel zu organisieren, pünktlich in der Kita und Schule ankommen, Sport und Musikunterricht, Elternabende bis hin zum Pausenbrot und Sportbeutel. Der Tag ist dadurch – wie bei allen anderen Familien auch – in viele kleine Zeitfenster eingeteilt, die kaum Raum lassen, sich selbst noch irgendwie wahrzunehmen. Durch den plötzlichen Wegfall sämtlicher Termine hat sich unser Leben schlagartig verlangsamt und mit einem Mal hatte ich dieses einzigartige Gefühl, dass ich die Dinge wieder in ihrer natürlichen Geschwindigkeit tue. Und auch nur die Dinge, die wirklich wesentlich sind.

Klingt nach Stabilität statt nach der Angst und Unsicherheit, die viele andere Menschen empfunden haben.

Natürlich war auch ich zuerst geschockt. Doch dem folgte eben dieser seltsame Zustand des Sich-Hingebens, weil mir ja auch gar nichts anderes übrig blieb. Und in dieser Hingabe zeigte sich plötzlich, wie sehr sich das Leben zu dem wandelte, was wir uns – zumindest, was die Ruhe und Entschleunigung anbelangt – schon länger für uns und unsere Familie gewünscht hatten. Der Verlust von Altbekanntem war insofern ein Gewinn. Dieses plötzliche Umschlagen von einem beängstigenden zu einem friedvollen Empfinden, hat etwas sehr Schönes.

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