Déjà-vu? Tag 1 der 71. Internationalen Filmfestspiele Berlin

Zum Auftakt des „Summer Specials“ der 71. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Es war ja alles schon einmal irgendwie da: die Berlinale im Sommer (1951 - 1977), das Haus der Kulturen der Welt als Kino (einst Pressezentrum, jetzt Herz der Generation-Sektionen), Open Air -Leinwände (z. B. 145 Minuten „Metropolis“ am Brandenburger Tor im Februar 2010). Trotzdem hat dieses „Summer Special“ der 71. Filmfestspiele Berlin etwas von Neustart. Und das liegt nicht nur daran, dass man nach anderthalb Jahren Einsam-, vielleicht noch Zweisamkeit vor dem Bildschirm endlich wieder mit Vielen vor einer Leinwand sitzen kann (Die gottlob draußen steht, weil bei einem Lichtspielhaus die entwöhnten Nerven noch nicht mitspielen würden.)

Kulturforum

Für die Berlinale und ganz besonders für Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek ist es ein Neustart nach all den zwischenzeitig erfahrenen Widrigkeiten (Postdamer Platz U-Bahn Umbau, Wegfall von Spielstätten) und Hiobs-Botschaften (die ungeschönte NS-Vergangenheit vom 1. Festspielleiter Alfred Bauer) der Jubiläumsausgabe zum 70., aus der man am 1. März 2020 obendrein noch in eine Pandemie entlassen wurde.

Schon ein Jahr später fühlt sich das alles an wie „damals“.

Spürbar war das schon im März, als der Industry Event für Filmschaffende und Presse frischen Filmwind vom Bildschirm in die eingesessene Kuhle im heimischen Sofa blies. Fünf Tage lang waren jeweils für 24 Stunden zwischen 25 und 30 Langfilme, dazu Serien und Kurzfilme freigeschaltet. Doch egal, in welche Sektion man sich zappte - Wettbewerb, Encounters, Panorama, Forum, Perspektive Deutsches Kino oder die zwei Generation-Sektionen Kplus und 14plus -, überall traf man auf Experimente. Formale Verspieltheiten via Kamera, Licht, Einstellungen, mit Makro-Objektiv oder nur per Handy gedreht, haben sich längst im Film etabliert. Diesmal ließ sich auch viel Neues und Originelles auf der inhaltlichen Ebene finden. Die dreistündige Dokumentation „Herr Bachmann und seine Klasse“, die nicht eine Sekunde langweilt, bildet in dieser Reihe nur den Anfang. Das vietnamesische Kammer-/Höhlenspiel „Taste“, über die Wohngemeinschaft eines Nigerianers mit drei älteren Vietnamesinnen verlangt vom Zuschauer weitaus tiefergelegenes Einfühlungsvermögen. Während das südkoreanische Coming of Age-Drama „Introduction“ mit Erwartungen und Erzählstruktur bricht, entpuppt sich der mexikanische Thriller „A Cop Movie“ als Dokumentarfilm, der sich als Spielfilm entlarvt. Und der Gewinner des Goldenen Bären, die rumänisch-luxemburgisch-kroatisch-tschechische Satire „Bad Luck Banging or Loony Porn“, schafft es, rumänischen Geschichtsunterricht, Hardcore-Porno und Corona auf recht amüsante Weise unter eine Decke zu bringen.

BLB (Szenenbild: „Bad Luck Banging or Loony Porn“)

Die nach Kultur hungernden Berliner bekommen mit den rund 90 Filmen, drei Serien und insgesamt acht Kurzfilm-Programmen der Sommer-Berlinale also die volle Packung Kino. Dementsprechend waren die 60.000 Karten für die16 Open-Air-Leinwände innerhalb von 24 Stunden verkauft. Außerdem ist das Publikum zum ersten Mal im Wettbewerb stimmberechtigt, und tritt somit gegen die Jury an, die schon im März die Bären vergeben hat. Auch das ein Novum, das womöglich Zukunft hat.

Fotos: „Bad Luck Banging“ Katia Pascariu © Silviu Ghetie / Micro Film 2021 | Visualisierung © Internationale Filmfestspiele Berlin | Plakat © Internationale Filmfestspiele Berlin / Claudia Schramke | Sonstige © Edda Bauer

Edda Bauer