Veranstaltung

African Book Festival in Berlin

Die Premiere des African Book Festivals fand im letzten Jahr in Berlin statt und war ein Publikumserfolg. Über 1.000 Besucher erlebten im historischen Kino "Babylon" Lesungen, Vorträge, Performances und Podiumsdiskussionen rund um das Thema „Writing in Migration“. Aufgrund der positiven Resonanz wird das Festival in diesem Jahr um einen Tag verlängert und findet vom 4. bis zum 7. April 2019 statt. Im Mittelpunkt steht dieses Jahr der südliche Teil des afrikanischen Kontinents, insbesondere Simbabwe. Ein Highlight ist der Headliner Ben Okri, der erste und bislang einzige nigerianische Gewinner des „Man Booker Prize for Fiction“. Das Festival lädt jährlich bekannte AutorInnen und KünstlerInnen aus Afrika und der Diaspora zu Vorträgen, Diskussionsrunden, Lesungen, Interviews, Theater und Spoken Word-Performances ein. Das diesjährige Motto lautet „Transitioning from Migration“.

Wir sprachen mit der diesjährigen Kuratorin Tsitsi Dangarembga.

Frau Dangarembga, warum ist Migration weiterhin das Schwerpunktthema des African Book Festivals?

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen spielt die aktuelle Migrations-Situation in Deutschland nach wie vor eine Rolle. Die meisten Menschen hierzulande sind in der glücklichen Situation, in einer sicheren Umgebung leben zu können, in der das Überleben und die Wahrung der menschlichen Würde garantiert sind. Mit der Migration aus dem globalen Süden werden die Menschen in Deutschland mit Lebensrealitäten konfrontiert, die all das nicht gewährleisten. Der zweite Grund ist der sich verstärkende Diskurs um Rassengleichheit, der von den USA ausstrahlt. Nach der Wiedervereinigung hat sich Deutschland intensiv mit dem Thema des wieder aufkeimenden Neonazismus auseinandergesetzt. Die Bedrohung wurde jedoch nicht überwunden, sondern weitet sich noch immer in der ganzen Welt aus. Menschen mit Migrationserfahrungen werden von beiden Phänomenen beeinflusst. Diese besondere Situation zu verstehen, ist essenziell für einen positiven Umgang mit Migration. Viele Menschen möchten sich für MigrantInnen in ihrem Land engagieren, allein das führt schon zu einem gesteigerten Interesse an Literatur, die sich mit Migrationserfahrungen beschäftigt.

Das diesjährige Motto des Festivals ist „Transitioning from Migration“. Was genau ist damit gemeint?

„Transitioning from Migration“ bezieht sich auf einen Kommentar von Kanzlerin Merkel, den sie im Zuge ihrer Westafrika-Reise im letzten Jahr getätigt hat. Auf dieser Reise wurde Merkel einmal mehr bewusst, dass die Menschen dort vorziehen würden, in ihren Heimatländern zu bleiben. Über Migration hinaus zu denken, bedeutet also, sich mit den Bedingungen vor Ort zu beschäftigen und diese so zu verändern, dass es Menschen aus Afrika möglich wird, ein würdiges Leben in ihrem Heimatland zu führen. Es ist ein Motto, das in die Zukunft blickt und das die Ziele der afrikanischen Bevölkerung, wie sie in der Literatur verhandelt werden, miteinbezieht.

Welche Rolle spielt Literatur bei der Wahrnehmung von Migration?

Literatur hat eine starke Wirkungsmacht. Dabei kann sie sowohl positive als auch negative Auswirkungen für die Wahrnehmung der Leser mit sich bringen. Literatur, die das Verständnis zwischen Menschen und für unser gemeinsames Schicksal auf dieser Erde fördert, kann die Empathie des Lesers für Menschen in einer völlig anderen Lebenswirklichkeit befördern und so einen positiven Einfluss auf das Miteinander haben. Im Gegensatz dazu gibt es auch Erzählungen, die das „Andere“ oder „Fremde“ zum Feind machen oder gar eine Hierarchie zwischen Menschen proklamieren. Deswegen ist es so wichtig, dass wir lernen, die Welt durch die Augen eines anderen zu sehen, gerade, wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen aufeinandertreffen. Ich denke, das ist die große Stärke, die Literatur für Leser und Leserinnen bereithält: die Möglichkeit, sich in die Lebensumstände eines anderen hineinzuversetzen.

Im letzten Jahr konzentrierte sich das Festival auf Literatur aus Nigeria, in diesem Jahr steht Simbabwe im Fokus. Was sind die größten Unterschiede zwischen diesen Ländern und ihrer Literatur?

Ein Hauptunterschied ist, dass es in Simbabwe keinerlei strukturelle Förderung von Literatur gibt, weder öffentlich noch privat. Das führt dazu, dass Autoren und Autorinnen aus Simbabwe auf die Unterstützung von Initiativen außerhalb des Landes angewiesen sind und das wirkt sich verzerrend auf die Narrative der AutorInnen aus. In Nigeria ist die Situation anders, hier gibt es mehr Diversität in der Literatur. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Menschen in Simbabwe das Potenzial von literarischem Ausdruck für die Entwicklung des Landes bisher weder verstanden noch genutzt haben. Unser Verständnis für diesen Zusammenhang entwickelt sich gerade noch.

Welche AutorInnen werden in diesem Jahr bei dem Festival dabei sein?

Wir haben die Ehre, den nigerianischen Autoren Ben Okri als Headliner des Festivals zu Gast zu haben. Seine Trilogie „Famished Road“, die 1993 mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet wurde, handelt davon, die eigene Vergangenheit zurückzuerobern, um seine Zukunft gestalten zu können. Das trifft genau das Thema des Festivals: Wie kann mit persönlichen Erfahrungen so positiv umgegangen werden, dass daraus fruchtbarer Boden für Zukunftsvisionen entsteht? Aus Simbabwe wird außerdem die Autorin Novuyo Tshuma zu Gast sein, die im letzten Jahr sehr viel positive Kritik für ihren Debütroman „House of Stone“ erhalten hat. Der im Exil lebende Dramatiker und Autor Christopher Mlalazi hat bereits einige Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet, weil er im autoritär regierten Simbabwe seine Literatur nicht gefahrlos veröffentlichen konnte. Neben Novuyo Tshuma ist auch die Autorin und Filmemacherin Siphiwe Ndlovu zu Gast. Sie ist ebenfalls in Simbabwe aufgewachsen und ihr Debütroman „The Theory Of Flight“ ist stark beeinflusst von der Zeit des Zivil-Krieges in ihrem Heimatland. Neben Gästen aus Simbabwe und Nigeria dürfen wir uns auf AutorInnen aus Südafrika, Malawi, Kenia und Uganda freuen, sodass viele afrikanische Länder vertreten sind.

Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten?

Ich freue mich besonders, viele spannende Bücher von afrikanischen Autoren und Autorinnen zu kaufen. Die Veranstalter des Festivals haben Ende letzten Jahres einen Buchhandel für afrikanische Literatur eröffnet. Ein weiteres Highlight wird für mich die Performance von Harriet Anena aus Uganda sein. Sie ist die diesjährige Gewinnerin des Wole Soyinka Preises für Literatur, der alle zwei Jahre von der Lumina Foundation für die beste afrikanische Literaturerscheinung vergeben wird.