Musik

29.03. | Album der Woche

Julia Holter • Something In The Room She Moves

Domino · 22. März

29.03. | Album der Woche - Julia Holter •  Something In The Room She Moves

Foto: Camille Blake


Von Leben und Tod

So eklektisch wie Julia Holters Musik, sind teilweise auch ihre Gedanken. Wer geduldig bleibt, wird am Ende mit interessanten Einblicken und eigensinniger Schönheit belohnt.

Julia Holter, mögen Sie Veränderung? Nein, ich bewege mich gar nicht gerne aus meiner Komfortzone heraus und stehe Veränderungen eher skeptisch gegenüber. Aber gleichzeitig glaube ich, dass es gesund und notwendig ist, an sich zu arbeiten. Ich versuche mich dazu zu zwingen. Ich hatte mein Leben lang viele Privilegien und ich denke, dass auch die eigene Komfortzone ein Privileg ist. Deswegen muss es auch okay sein, wenn es mal unbequem wird. Ich nutze meine Musik, um solche Aspekte zu erforschen.

Haben Sie in den letzten Jahren einschneidende Veränderungen erfahren? Ja, ich bin Mutter geworden. Die Schwangerschaft war verrückt. Mir war vorher nicht bewusst, wie sehr Hormone dich beeinflussen. Ich will keine Stereotypen über das „Mom Brain“ bestärken, aber meine persönliche Erfahrung war, dass ich nicht mehr gut lesen konnte, zu Beginn ziemlich depressiv war und Probleme beim Songschreiben hatte. Obwohl ich mich besonders anstrengte, weil mir klar war, dass es, sobald das Baby da ist, erstmal nicht mehr so einfach sein wird. Bei manchen Demos hört man mich gähnen und teilweise bin ich fast eingeschlafen. Das fühlte sich wirklich seltsam an. Eine weitere, drastische Veränderung war der Verlust geliebter Menschen.

Das Album ist ihrem Neffen gewidmet, der überraschend verstorben ist. Genau. Ich verlor während der Arbeit an dieser Platte auch meine Großeltern, aber der Tod meines 18-jährigen Neffen traf mich auf besondere Weise. Ich fühlte plötzlich die Permanenz dieses Ereignisses und sowas hatte ich vorher noch nie in diesem Maße wahrgenommen. Wahrscheinlich, weil ich so eine Art der Trauer noch nicht erlebt hatte. Früher gab es mir immer Halt, rauszuzoomen und das gelingt mir seitdem nicht mehr.

Können Sie das näher erläutern? Wenn man sich beispielsweise stresst, weil die Haare heute doof aussehen oder man etwas verloren hat, das einem wichtig ist, half es mir in der Situation immer, das größere Bild zu sehen. Wir sind nur ein kleiner Bestandteil dieses Universums und durch das Rauszoomen wird einem bewusst, dass das eigene Problem aus einem größeren Blickwinkel betrachtet keine so dramatische Rolle spielt. Ich fand Trost in dem Gedanken, dass alles stetig in Bewegung ist und sich verändert, und deswegen fällt es mir schwer, mit der Endgültigkeit dieses Tods umzugehen. Aber wahrscheinlich müssen wir einfach akzeptieren, dass das Leben manchmal schmerzhaft ist.

Julia Holter

Julia Holter
Something In The Room She Moves

Domino, 22. März

Mit „Something In The Room She Moves” wollte Julia Holter ein wasserähnliches Universum erschaffen, das die innere Klangwelt des Körpers repräsentiert. Das ist ihr gelungen. Man kann sich vom sechsten Album der Kalifornierin bestens flussabwärts treiben lassen, sollte aber auf die ein oder andere überraschende Stromschnelle vorbereitet sein. Vom Schilfrohr bis zum Dudelsack sind Holters Arrangements so vielschichtig und eigensinnig wie gewohnt: Avantgardistische Schönheit auf den zweiten Blick.

Katharina Raskob