Rüdiger Warnstädt

Rüdiger Warnstädt

„Ich wollte nicht, dass mir die Angeklagten im Traum erscheinen.“

Autor/in
Leserbewertung

Zur Person

26.01.2005, Berlin. Rüdiger Warnstädt, seit über 25 Jahren Strafrichter in Berlin-Moabit, erklimmt die Stufen zum Cafe Buchwald in Tiergarten. Es duftet nach Kaffee und Baumkuchen. Die Wände sind mit Blümchentapete verziert, die Decken rosa gestrichen. Leise bedienen drei Frauen in fliederfarbenen Küchenschürzen.

Herr Warnstädt, Sie waren ein gutes Vierteljahrhundert Strafrichter in Berlin-Moabit. War es schwer, die Angeklagten, die in Ihren Gerichtssaal kamen, als Menschen zu akzeptieren, wenn Sie daran dachten, was die angestellt haben?

Rüdiger Warnstädt: Ja. Aber ich habe auch nicht immer akzeptiert, was sie getan haben. Ich habe sie erst einmal wahrgenommen und mir gesagt: Sie sind Menschen. Sie sind vielleicht unangenehme Menschen, das wird sich herausstellen. Über jeden Angeklagten, der da vorgeführt wird, sagt der Staatsanwalt etwas Unangenehmes. Der Richter ist dazu da, um festzustellen, ob das stimmt. Manchmal ging die Tür auf im Gerichtssaal und es kamen Leute herein, die mir schon vom Äußeren her unglaublich unsympathisch waren. Bei den besonders Unsympathischen habe ich mich eines Kunstgriffs bedient: Ich habe mir vorgestellt, wie diese unangenehme Frau als vierjähriges Mädchen oder dieser brutale Kerl als vierjähriger Junge ausgesehen haben könnte. Ich habe mich gefragt, warum derjenige wohl so unangenehm ist, dass er mir schon vom Äußerlichen her einen Widerwillen einjagt.

Ab hier lesen nur GALORE-Abonnenten kostenlos weiter! Eines der vielen Abo-Extras.